Habgier: Roman (German Edition)
auch keine Sorgen darüber, die Maschine aufzutreiben. Ich mach mir Sorgen um die Finanzierung des Ganzen.«
Für einen Moment blieb die Leitung stumm. Dann antwortete Hollander: »Siehst du, genau das ist der Grund, warum ich froh bin, in Rente zu sein. Die Detektivarbeit hat Spaß gemacht, aber die Bürokratie war zum Kotzen.«
Der Bungalow lag in demselben Viertel wie der von Raymond Holmes’ Renovierungsprojekt und war ähnlich gebaut, nur heruntergekommener. Die Farbe blätterte überall ab, und der Garten wirkte verwahrlost. Decker und Marge warteten auf der Veranda, wo ein paar Stühle herumstanden, auf das Erscheinen von Leslie Bracco.
Als die Zeiger unweigerlich sechs Uhr erreichten, rief Marge Will an und bat ihn, die Essensreservierung auf neun Uhr zu schieben. In einem Anfall von Ritterlichkeit erklärte ihr Will, dass er sehr gerne Richtung Süden fahren würde, um ihr Zeit und Umstände zu ersparen. Es gäbe jede Menge exzellente Restaurants in San Jose, und einige davon hätten auch noch spät geöffnet.
Leslie tauchte um zehn nach sechs auf, einen Schlüsselbund in der Hand. Sie war klein und gedrungen, um die vierzig, hatte breite Schultern und schwarzes, grau durchzogenes Haar im Pagenschnitt. Grüne Augen und volle Lippen schmückten ein Gesicht mit großen Apfelbäckchen. Sie trug einen rosa verwaschenen Pulli unter einem dunkelbraunen Hosenanzug, dazu schlichte braune Slipper. »Tut mir leid wegen der Verspätung, aber die Besprechung wollte nicht enden. Wir haben eine Tiefstpreiskampagne laufen, um Kunden zurückzulocken, und es funktioniert gut. West Air hat einer Verlängerung zugestimmt.« Sie öffnete die Vordertür. »Warten Sie schon lange?«
»Nicht der Rede wert«, antwortete Decker.
»Sie wollen nur höflich sein.« Leslie betrat das Haus und begann, Vorhänge und Fenster zu öffnen. Die Polizisten folgten ihr.
»So hatten wir Zeit, ein paar Sachen aufzuarbeiten.« Decker lächelte sie an, und sie erwiderte sein Lächeln mit strahlend weißen Zähnen. »Ich bin Lieutenant Decker, und ich glaube, Sie haben schon mit Detective Sergeant Dunn gesprochen.«
Leslie wechselte ihre Handtasche in die linke Hand und streckte die rechte aus, erst zu Marge, dann zu Decker. »Nehmen Sie irgendwo Platz. Und entschuldigen Sie das Chaos.«
Das Chaos bestand aus einer sorgfältig gefalteten Zeitung auf dem Couchtisch. Ansonsten war der Raum tadellos ordentlich. Die Einrichtung hätte direkt aus einer Werbekampagne stammen können: eine klassische, mit Rosenmuster bezogene Couch, passende Sessel mit Chaiselongue, wobei alle Holzteile und Tischchen eine Walnussfurnierung hatten. In einer Ecke war ein Piano, auf dem dicht an dicht Familienfotos standen. An den Wänden hingen noch mehr Fotos. Der Teppichboden war dicht gewebt und makellos.
Leslie warf ihre Handtasche auf die Couch. Dann betrachtete sie sie kurz und platzierte sie auf eins der Tischchen am Ende des Sofas, stellte sie gerade. »Darf ich Ihnen Kaffee anbieten? Ich trinke einen Entkoffeinierten, also macht es keine Umstände.«
»Das klingt gut.« Marge betrachtete die Schnappschüsse an den Wänden. Auf fast allen waren Leslie, ein Ehemann und drei Kinder vor den üblichen Ferienhintergründen zu sehen. Ein neueres Bild stammte wohl aus einem Skiurlaub – sechs junge Erwachsene mit vier Kleinkindern. Kein Ehemann im Bild, aber daneben hing ein blasser, kahlköpfiger Mann, der ein Baby im Arm hielt. Er trug einen alten Bademantel und grinste über das ganze Gesicht.
Leslie war Witwe, und ihr Ehemann war wahrscheinlich an Krebs gestorben.
Die Stewardess erwischte Marge dabei, das Foto anzustarren. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Jack.« Sie lächelte gezwungen. »Es ist jetzt schon drei Jahre her, und ich vermisse ihn immer noch so höllisch.«
»Wahnsinn, wie stolz er aussieht«, sagte Marge.
»Stimmt, das war er.« Sie wischte sich über die Augen. »Unser erstes Enkelkind. Wie möchten Sie Ihren Kaffee?«
»Schwarz«, antwortete Decker.
»Für mich auch«, sagte Marge.
»Sie beide sind ja anspruchslos.« Sie verschwand und kam ein paar Minuten später mit einem Tablett, auf dem drei Becher Kaffee standen, zurück. Sie stellte es auf dem Couchtisch ab und verteilte die Becher, dann setzte sie sich in einen der Sessel, zog ihre Schuhe aus und stellte sie ordentlich, an der Sofakante ausgerichtet, auf den Boden. Endlich schlug sie ihre Beine unter und griff nach ihrem Becher. »Hm, das tut gut.«
»Stimmt«,
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