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Habiru

Titel: Habiru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Gerhardt
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die Verteilung der Menschen über die ganze Welt, hatte aber etwas für sich. Nur was?
    In dem Augenblick ging die Tür auf, Frau Arnold kam heraus. »Da steckst du. Geht es dir wieder besser?«
    »Ja danke. Ich weiß auch nicht was los war. Auf einmal wurde mir schummrig und dann richtig schlecht.«
    »Das habe ich gesehen. Wahrscheinlich dein Kreislauf. Du solltest ein wenig Traubenzucker bei dir haben, falls du das öfter hast.«
    In diesem Augenblick hätte sie Frau Arnold am liebsten umarmt. Sie war so besorgt und immer nett, und das, obwohl die meisten in der Klasse ihr auf der Nase herumtanzten. Sie ließ sich nie aus ihrem Konzept bringen.
    »Wenn es dir wieder besser geht, kommst du dann jetzt wieder mit?«
    Sie wollte sich gerade umdrehen, weil Sarah einen kurzen Augenblick zu lange mit der Antwort gezögert hatte.
    »Ja. Es geht schon wieder.«
    »Na dann, gehen wir.«
    Kurz bevor sie wieder durch die Tür gingen, fragte Sarah: »Frau Arnold?«
    Sie drehte sich um und sah sie erwartungsvoll an. »Danke für ihre Fürsorge.« Sie lächelte: »Keine Ursache.«
    Sarah beruhigte das Lächeln ungemein. Auf dem Weg die Treppe hoch fragte sie: »Ist das wahr? Dass die Menschen früher nur eine Sprache kannten?« Wenn sie wegen dieser Frage verwundert war, ließ sie es sich nicht anmerken. »Vielleicht? Es gibt da Theorien, die besagen, dass es mal eine einzige Sprache gab. Zum Beispiel die Ur-Laut-Theorie. Und fast alle Sprachen, die wir kennen, haben eine gemeinsame Basis. Man nennt diese indogermanisch.«
    Sarah hatte wohl wirklich einen sehr eigenartigen Gesichtsausdruck gemacht. Frau Arnold jedenfalls stutzte. »Wieso fragst du?«
    »Ach, ist nicht so wichtig.« Nach einer weiteren kurzen Pause fragte sie Frau Arnold allerdings wieder.
    »Was bedeutet eigentlich dieses Babel?« Nun war Frau Arnold doch verwundert. Dennoch antwortete sie: »Ich meine, es heißt auf hebräisch verwirren. Aber es gibt noch andere Erklärungen. Zum Beispiel bab-ili, was auf babylonisch in etwa »Tor Gottes« bedeutet haben könnte.«
    »Woher wissen Sie eigentlich das alles?«
    Sarah kam sich bei dieser Frage dumm vor. War sie vielleicht unangemessen? Aber als Frau Arnold wieder lächelte, und gleich nett antwortete, war sie beruhigt.
    »Neben meinem Studium der Religion habe ich Indogermanistik studiert. Die Wiege unserer Kultur hat mit schon immer interessiert.«
    Sarah schluckte. Ihr war nicht wirklich besser zu Mute, aber sie versuchte sich zusammen zu reißen, um nicht schon wieder an die frische Luft zu müssen. Oder gar auf die Toilette.
    Kurz bevor sie wieder an der Klassentür waren fragte sie noch: »Frau Arnold, können wir uns nach der Stunde noch kurz unterhalten?«
    Nun sah sie wirklich besorgt aus, und versprach ihr sofort, dass sie nach der Stunde mit ihr reden könnte.
    Frau Arnold versuchte mit der Klasse über die Bedeutung der Geschichte des Turmbaus zu sprechen. Wirklich konstruktiv war das aber nicht, weil niemand so richtig mitmachte. So blieb es eher bei einem Monolog, denn sie führen musste, um ihren Schülern den Stoff zu vermitteln. Sarah war immer noch wie versteinert, und fühlte nicht nur einen Druck auf dem Magen, sondern hatte nun auch noch Kopfschmerzen. Sie konnte nicht wirklich folgen, auch wenn es sie brennend interessierte. Ihr Kopf war voller Gedanken. Sie bekam nur Fetzen mit. So erzählte Frau Arnold beispielsweise, dass man vermutete, das Bauwerk selbst hätte Gott erzürnt, weil es bis in den Himmel reichte, und die Menschen sich somit gottgleich machten.
    Sie erwähnte in dem Zusammenhang die Wortbedeutung »Gottes Tor.«
    Oder es gab Vermutungen, dass es auf den Spitzen der Türme Tempel gab, in denen Prostitution ausgeübt wurde. Dort sollen Königspriester nach alten Überlieferungen einmal im Jahr mit der jeweiligen Oberpriesterin Sex gehabt haben, und dieser Geschlechtsverkehr zwischen zwei Menschen, die keinerlei Partnerschaft miteinander verband, war für die sittenstrengen Nomaden Dekadenz, Sittenverfall, Sünde, ja Götzendienst schlechthin. Und deshalb strafte Gott diese Menschen.
    Alles in Sarah war angespannt, sie hatte längst begriffen, dass es um die Heilige Hochzeit ging, aber was Frau Arnold schilderte war irgendwie anders, wie das, was sie aus Schenas Erzählungen kannte. Sie hatte ihr gleich am Anfang auf dem Weg vom See zur Hütte etwas darüber erzählt. Die Heilige Hochzeit war keine Prostitution. Hinter Prostitution verbarg sich immer Zwang. Und die Paare, die

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