Habitat C (German Edition)

Zeit einen Leib zu haben, den er allein und vor allem direkt kontrollierte. Es war viel zu lange her, dass er diesen Genuss in vollem Umfang und ohne die Beachtung jeglicher Konventionen hatte erfahren dürfen. Der Avatarkörper war letztlich nur ein ungenügender Ersatz, aber er erinnerte ihn an die Möglichkeiten, die er schon seit langer Zeit nicht mehr hatte nutzen können.
    Ein Preis, den er gerne zahlte. Grant neigte nicht zu Selbstmitleid. Wehmut, ja. Und wer wollte es ihm verübeln?
    Daxxel war verschwunden und er würde ihm niemals wiederbegegnen. Die Geschichte war jetzt ausgestanden, es wurde nur noch aufgeräumt und sauber gemacht. Grant konnte nicht zulassen, dass irgendwelche größenwahnsinnigen Menschen auch nur in die Nähe des Erbes der Niib kamen. Der Missbrauch dieser Machtmittel war eine Beleidigung, und das in mehrfacher Hinsicht. Grant schüttelte sich bei dem Gedanken, für welch niedere Bedürfnisse diese Verbrecher all dies hätten nutzen können.
    Die Bodaren, so fand Grant, hatten sich auch als treue Wächter erwiesen. Wie damals, so führten sie auch heute, willentlich oder nicht, die Befehle ihrer Meister getreulich aus. Es war noch zu früh, das wahre Potenzial zu zeigen, das im Vermächtnis der Niib lag. Die Zeit war noch nicht reif für ihre Wiedergeburt und die Rückkehr an ihren angestammten Platz. Grant war sehr, sehr geduldig. Andere Wirtskörper vor dem der Präsidentin waren gestorben und weitere würden nach ihr zu Staub werden, während er und seine Brüder, versteckt oder offen, ihren Weg durch die Jahrhunderte fortsetzen würden, bis die Zeit reif war.
    Reif für die Wiedergeburt.
    Grant ließ den Avatar lächeln. Alles war gut. Man würde diese Welt verschließen und alles totschweigen, und Daxxel, der treue Idiot, würde pflichtschuldigst kein Wort über all das verlieren, was er hier erlebt hatte. Er würde sich über seine Belobigung freuen, seine Beförderung sowie die Möglichkeit, mit einem der mächtigsten Politiker der Akte nahezu vertraulich gesprochen zu haben. Eine exaltierte Stellung, eine besondere Gnade, deren herausragende Einmaligkeit Daxxel niemals richtig begreifen würde, da er dummerweise – und doch weitaus intelligenter als alle anderen – die Bodaren für die Niib hielt.
    Grant lächelte.
    Dabei hatte der Menschling die ganze Zeit mit einem geredet, ohne es zu wissen.
    Ein Geheimnis, tief bewahrt im Schädel der Präsidentin der Galaktischen Akte – und in den Köpfen einiger Hundert anderer Individuen.
    Geduld.
    Grant hatte sehr viel Geduld.
    Aber eines Tages würden er und die Seinen das Erbe ihrer Vorfahren wieder antreten.
    Und es würde eine Freude sein, sich für die Schmach der Jahrtausende und die Hybris der Rebellion zu rächen.
    Grant gestattete sich für einige Momente einen wundervollen Tagtraum, in dem er die Schreie der Gefolterten beinahe zu hören vermochte und die Flüsse an Blut und zerstampften Eingeweiden seine Knöchel zu umspielen schienen. Eine schöne, nahezu poetische Vorstellung, voller Eleganz und Anmut, voller Genugtuung und aufrichtiger Fröhlichkeit.
    Dafür lohnte es sich, weiter geduldig zu sein.
    Dann schaltete er den Avatarkörper ab.
    Es gab jetzt andere, vordringliche Arbeit, keine Zeit mehr für wunderbare Tagträume.
    Präsidentin Myas leitete eine Kabinettssitzung zum Haushaltsentwurf der äußeren Kolonien.
    Er musste ihr helfen, alle Zahlen parat zu haben.

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