Hackenholt - 02 - Das letzte Laecheln
haben und wer Sie dabei gesehen hat«, merkte Wünnenberg an. »Beginnen wir mit dem Morgen. Wann sind Sie aufgestanden?«
»Um sieben. Ich musste unbedingt bei der Telefonhotline wegen meines Internets anrufen. Am Abend zuvor gab es in meiner Wohnung einen Kurzschluss, und als ich die Sicherungen wieder reingeschraubt hatte, war mein DSL-Modem völlig verstellt und ich konnte nicht mehr online gehen. Leider war es da schon zu spät, um bei der Gesellschaft einen Techniker ans Telefon zu bekommen. Die arbeiten nur bis zweiundzwanzig Uhr. Aber für meine Recherchen bin ich auf das Internet angewiesen. Ich kann kein ganzes Wochenende darauf verzichten, also habe ich den Wecker gestellt, um gleich in der Früh dort anzurufen. Ich wollte nicht ewig in deren Warteschleife hängen. Sie kennen das ja. Da ruft man an, und dann dudelt einem erst mal eine Viertelstunde lang Musik ins Ohr, bis endlich jemand frei ist. Jedenfalls kam ich am Morgen sofort durch und erwischte einen relativ freundlichen und geduldigen Herrn. Wir telefonierten über eine halbe Stunde, bis er endlich den Fehler fand und ich mich wieder ohne Probleme ins Internet einwählen konnte. Anschließend blieb allerdings kaum noch Zeit. Ich bin schnell unter die Dusche gesprungen und dann sofort zu Annika gelaufen. Nicht einmal zum Frühstücken reichte es noch.«
»Gibt es Zeugen, die das bestätigen können?«
»Vielleicht kann sich der Mann von der Hotline noch an mich erinnern. Immerhin haben wir sehr lange telefoniert, und ich war sein erster Anrufer. Außerdem meinte er, es sei ein sehr ungewöhnlicher Fehler. Ich glaube, er musste auch ein Protokoll schreiben, zumindest hat er am Anfang viele Fragen gestellt und die Antworten in seinen Computer eingetippt.«
Wünnenberg nickte. »Sie sagten, Sie seien zu Fuß zum Sternmann gegangen. Gibt es dafür Zeugen? Hat Sie unterwegs jemand gesehen? Vielleicht ein Bekannter, der sich an Sie erinnert?«
Der Journalist sah die Kommissare ratlos an. Zum ersten Mal wirkte er verunsichert. »Ich weiß nicht. Ich habe nicht weiter auf andere Leute geachtet. Woher sollte ich denn wissen, dass das später wichtig sein würde?«
Er verfiel in brütendes Schweigen. Seine Finger trommelten nervös auf seinen Knien herum. Mit einem Mal hellte sich sein Gesicht auf. »Die Nachbarin im Erdgeschoss hat mich weggehen sehen«, triumphierte er. »Sie hat die Treppe geputzt und sich schrecklich aufgeregt, weil ich mal wieder mit meinen angeblich schmutzigen Schuhen durch den feuchten Flur gelaufen bin.«
Wünnenberg warf Hackenholt einen fragenden Blick zu, der ihn mit einem Nicken erwiderte. Mittlerweile war es kurz vor Mittag. Sie mussten eine Pause im Verhör machen, um Korks Angaben zu überprüfen, außerdem wollte Hackenholt mit Christine Mur sprechen.
Bevor die beiden Beamten das Präsidium verließen, ging Hackenholt ins Geschäftszimmer und bat die Schreibkraft, ein sofortiges Ersuchen an die Telekom zu schicken. Er benötigte dringend einen Verbindungsnachweis für Ludwig Korks Telefonanschluss. Die richterliche Anordnung dafür hatte er bereits eingeholt. Außerdem sollte sie die Rechtsabteilung des Internetproviders kontaktieren und in die Wege leiten, dass der Ermittlungsgruppe der entsprechende Bericht über Korks Anruf beim Techniker zur Verfügung gestellt wurde. Am Schluss teilte sie ihm noch mit, dass Christine Mur gegen sechzehn Uhr zur Besprechung kommen werde. Bis dahin hoffte die Kollegin, auch die lang ersehnten Untersuchungsergebnisse erhalten zu haben.
Danach fuhren Hackenholt und Wünnenberg in die Burgschmietstraße. Erst jetzt fiel Hackenholt auf, dass neben dem Haus, in dem Kork wohnte, eine der sieben von Adam Kraft geschaffenen Kreuzwegstationen stand, die vom Tiergärtner Tor zum Johannisfriedhof führten. Der Journalist wohnte direkt an der Nürnberger Via Dolorosa.
Die Nachbarin aus dem Erdgeschoss hatte zwar äußerlich keine Ähnlichkeit mit der viel beschrienen Else Kling aus der Lindenstraße, aber in puncto Neugierde und Geschwätzigkeit stand sie ihr in nichts nach. Hackenholt empfand es als äußerst anstrengend, die weit ausschweifende Frau immer wieder zum Thema zurückzuführen. Nicht einmal Wünnenberg mochte mit ihr schäkern, um einen Kaffee angeboten zu bekommen, und das sollte schon etwas heißen. Immerhin konnte sie den Verdächtigen tatsächlich entlasten. Nicht nur bestätigte sie, dass Ludwig Kork um Viertel vor acht durch ihr frisch gewischtes Treppenhaus gerannt
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