Hackenholt - 02 - Das letzte Laecheln
Lu?« Sofort wurden die Bewegungen Sabines wieder fahriger, und ihre Stimme drohte zu kippen.
»Nichts, du musst dir wirklich keine Sorgen machen. Es ist nur, weil ich im Moment nicht alleine sein mag«, log er. »Ich gehe jetzt mal duschen, und danach erzähle ich dir alles.« Zwar hatte er ganz und gar nicht vor, Letzteres in die Tat umzusetzen, doch musste er sich erst noch überlegen, was für eine Geschichte er seiner Freundin auftischen sollte. »Magst du beim Italiener eine Pizza bestellen? Ich habe einen Riesenhunger. Und dann machen wir es uns gemütlich, ja?«
Sabine nickte verwirrt.
***
Mit einem Mal sah Hackenholt die gestrige Szene im Parkhaus wieder vor sich: Sophie hatte ihren Wintermantel ausgezogen und auf den Rücksitz geworfen, bevor sie in die Engelsflügel geschlüpft war. Es traf ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Er hatte sie nicht nur auf dem Faschingsball zurückgelassen, ohne ihr Bescheid zu sagen, sondern auch noch des Mantels und ihrer Handtasche beraubt. Denn diese förderte er als Nächstes zutage.
Hatte er bislang noch auf ihr Verständnis für seinen Beruf gehofft, machte sein Fund dies umgehend zunichte. Es war einfach unverzeihlich von ihm, so gedankenlos gehandelt zu haben. Wo hatte er nur wieder seinen Kopf gehabt?! Zugegeben, das wusste er ganz genau: bei Ludwig Kork.
Kurz überlegte er, ob er Sophie stehenden Fußes anrufen sollte. Doch dann beschloss er, auf der Stelle zu ihr zu fahren. Wer einen solchen Bock schoss, musste dem anderen wohl oder übel Gelegenheit geben, seinen Unmut von Angesicht zu Angesicht zu äußern. Dieser vermaledeite Journalist! Er hatte es geschafft, nicht nur die Ermittlungen, sondern auch sein Privatleben in Aufruhr zu bringen.
Also machte sich Hackenholt zu Sophie in die Meuschelstraße auf. Sollte sie nicht da sein, konnte er immer noch in seine Wohnung fahren und sehen, ob sie dort auf ihn wartete. Aber mittwochs trafen sie sich eigentlich immer bei ihr. Außerdem würde sie wohl kaum in seiner Wohnung warten, wenn sie auf ihn sauer war, oder?
Mit ihrem Mantel und ihrer Handtasche sowie der Einkaufstüte und seinem Aktenkoffer bepackt klingelte er an ihrer Tür, was er höchst selten tat. Da sie nicht öffnete, kramte er schließlich doch den Schlüssel hervor und sperrte auf.
»Sophie?«, rief Hackenholt fragend, während er eintrat. In der sonst stets mit Leben gefüllten großen Jugendstilwohnung war es mucksmäuschenstill. Kein Radio dudelte vor sich hin, und der Computer war ausgeschaltet. Dennoch musste sie da sein: Die Wohnungstür war nicht abgeschlossen gewesen.
Er stellte die Tüten ab, hängte Mantel und Jackett auf einen Bügel und zog seine Schuhe aus. Angestrengt lauschte er, bis er schließlich glaubte, ein Husten aus dem Schlafzimmer zu vernehmen.
Auf Strümpfen lief er den Flur entlang und klopfte leise, bevor er die Tür öffnete. Als er hineinsah, bot sich ihm ein Bild des Jammers. Sophie lag unter zwei dicken Daunendecken im Bett. Ein Tuch war um ihren Hals gebunden, die Haare klebten ihr strähnig am Kopf, und ihre Augen schimmerten glasig.
Hackenholt zuckte zusammen, als habe jemand direkt neben ihm einen Luftballon platzen lassen. Mit einem Blick erfasste er den kleinen Berg zusammengeknüllter Taschentücher auf dem Boden, die fast leere Teekanne auf dem Nachttisch und den Teller mit den Resten einer nur zur Hälfte gegessenen Orange.
»Oh nein, Schatz«, flüsterte er. »Es tut mir so leid. Das wollte ich nicht.« Er ging neben Sophie in die Hocke. Mit einem Finger strich er ihr über die fieberheiße Stirn. »Ich habe einfach nicht daran gedacht, dass dein Mantel und die Handtasche auf dem Rücksitz lagen. Ich habe gehofft, du würdest mit dem Taxi heimfahren, aber das ging natürlich nicht, weil du kein Geld bei dir hattest. Bist du den ganzen Weg nach Hause gelaufen?«
Sophie nickte.
»Und wie bist du reingekommen? Dein Schlüssel war doch in deiner Handtasche.«
»Ich habe einen Ersatzschlüssel im Garten in einem Blumentopf versteckt«, flüsterte sie heiser. »Du alter Schussel.« Dann verzog sie die Mundwinkel zu einem Lächeln, schob ihre Hand unter der Bettdecke hervor und strich ihm sanft über die Wange. Für Hackenholt fühlte sich die zärtliche Berührung wie eine Generalabsolution für seine Gedankenlosigkeit an. Er beugte sich vor und küsste sie auf die Stirn.
»Geh weg! Ich stinke wie ein Petz. Am Ende stecke ich dich noch an. Und das kannst du im Moment wohl kaum gebrauchen.« Dennoch
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