Hackenholt 06 - Reichskleinodien
nicht gehört, hakte sie ihn unter und zog ihn Richtung Treppenhaus. »Und am Wochenende, mein Lieber, will ich dich hier nicht sehen!«
»Christine, du weißt genau –«
»Zumindest am Sonntag nicht. Da geben Maurice und ich eine Grillparty bei mir im Garten. Sophie weiß schon Bescheid und hat zugesagt. Sie meinte, zur Not wäre sie damit einverstanden, wenn Ralph dich in Handschellen vorführt – falls du anders nicht aus dem Büro zu bekommen bist. Aber ich habe ihr versprochen, dass es nicht so weit kommen wird, weil du am Sonntag nämlich gar nicht erst einen Fuß ins Kommissariat setzt.«
»Na? Wie geht es meinen beiden Schätzen?« Hackenholt ließ sich auf dem Rand von Sophies Liegestuhl nieder, gab ihr einen Kuss und streichelte den Bauch.
»Wir sind satt und müde. Man könnte auch glücklich und zufrieden sagen.«
»Das freut mich. Was gab es denn zu essen?«
»Für mich nur einen gemischten Salat mit Schinken und Käse, aber Ronja wollte unbedingt eine Schüssel Vanillepudding haben.«
»So, so. Na, sie kann das vertragen, sie wächst ja noch.« Hackenholt lächelte. »Hat sie mir einen Löffel voll übrig gelassen?«
Sophie schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Der Pudding war ratzfatz alle. Dafür habe ich mich beim Salat zurückgehalten und dir eine große Portion aufgehoben.« Sie grinste. »Außerdem hast du heute schon drei Kuchen bekommen. Wir wollen es also nicht übertreiben.«
»Christine hat etwas von einer Grillparty am Sonntag erwähnt und dass du zugesagt hast?«
»Ja, sie hat heute Morgen angerufen. Ursprünglich dachte ich, der eigentliche Sinn und Zweck ihrer Einladung wäre, einen Nachtisch für die Feier zu schnorren. Aber als ich gefragt habe, ob sie lieber ein Erdbeer-Tiramisu oder eine Panna cotta mit Erdbeersoße möchte, meinte sie, Maurice würde sich ums Dessert kümmern.«
Hackenholt lachte. »Das sieht ihr ähnlich: Sie lädt zur Party ein und lässt die anderen die Arbeit machen.«
»Das ist jetzt aber unfair. Ich finde es toll, dass sie ein verspätetes Mittsommeressen veranstaltet. Sie nennt es so, als Pendant zu meinem Nikolausessen.«
»Nachtigall ick hör dir trapsen …«
»Und wenn schon: Dann gibt es dieses Jahr eben wieder eine Gans. Letztes Jahr war es doch recht nett. Zumindest bis zu dem Augenblick, als ihr wegmusstet. Das wird uns am Wochenende hoffentlich erspart bleiben.«
»Sag mal«, wechselte Hackenholt das Thema, »bist du eigentlich in dieser Reichskleinodien-Ausstellung im Staatsmuseum gewesen? Ich kann mich nicht mehr erinnern.«
»Ich war gleich nach der Eröffnung dort.« Den Zusatz, er habe sich zu dem Zeitpunkt kaum noch für seine Umwelt interessiert, schluckte sie hinunter.
»Wie war die denn?«
»Die Ausstellung an sich: interessant. Die Tatsache, dass man die Insignien nur als Leihgabe der Österreicher bewundern durfte, hat dagegen mit Sicherheit jedem echten Franken die Tränen in die Augen getrieben.«
»Wieso?«
Sophie seufzte. »Das verstehst du nicht, dazu muss man hier geboren sein.«
»Das ist eine ziemlich blöde Begründung.«
»Du weißt doch, dass Kaiser Sigismund 1423 der Reichsstadt Nürnberg unwiderruflich und unanfechtbar das Recht zur ewigen Verwahrung der Reichskleinodien übertragen hat, oder etwa nicht?«
»War Sigismund derjenige, der bei seiner Taufe ins Weihwasser gepinkelt hat, woraufhin der Sebalder Pfarrhof abgebrannt ist, weil man etwas zu hastig frisches Wasser erwärmen wollte?«
»Nein, das war der Wenzel. Der hat es aber nur bis zur Königswürde gebracht. Sein Vater war Kaiser Karl IV . – und der finanzierte uns nach dem peinlichen Zwischenfall, den sich sein Sohnemann geleistet hat, den neuen steinernen Pfarrhof mit dem Chörlein. Die Taufe war aber schon 1381. Kaiser Sigismund ist in gewisser Weise der Nachfolger von Karl IV . und gleichzeitig Halbbruder vom Wenzel.«
»Huch, ist der Herr Kaiser fremdgegangen?«
»Du wieder! Wenzel stammt aus Karls dritter Ehe, wohingegen Sigismund aus vierter Ehe ist. Aber irgendwie sind wir jetzt vom eigentlichen Thema abgekommen. Warum interessierst du dich für den Kronschatz – jetzt, wo die Ausstellung vorbei ist?«
»Ach, wir sind heute in der Arbeit drauf zu sprechen gekommen.«
»Und was ist das für ein neuer Fall, den du gleich wieder übernommen hast, anstatt es langsam anzugehen?«
»Schätzungsweise ein Raubüberfall. Ein Opfer wurde in seinem Wagen erschossen, das andere lag schwer verletzt daneben. Es wird sicher nicht so einfach
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