Hackenholt 06 - Reichskleinodien
erzählte Hackenholt in gebrochenem Deutsch-Englisch mit starkem fränkischem Einschlag, Sascha Förster habe seit Längerem ein Verhältnis mit der jungen Auszubildenden gehabt. Das wussten alle in der Firma – bis auf Sabine Förster. Zumindest tat sie immer so, als bemerkte sie nichts. Dabei hatte er selbst einmal Sascha und Giulietta knutschend im Hof stehen sehen. Ein anderer Kollege berichtete unlängst sogar von einer wesentlich kompromittierenderen Situation: Als er an einem Freitagnachmittag ins Büro kam, um seinen Fahrzeugschlüssel abzugeben, waren die beiden gerade auf dem Sofa im Zimmer des Chefs zugange.
Als Hackenholt daraufhin noch einmal mit Giulietta Veccio sprechen wollte, hieß es, die junge Frau sei nach Hause gegangen. Ihm blieb also nichts anderes übrig, als sich das Verhältnis der beiden von den anderen Fahrern bestätigen zu lassen.
Nachdem die Ermittler alle Angestellten befragt hatten, rief Hackenholt Sabine Förster zu sich. Wenngleich es ihm nicht leichtfiel, musste er der Sache auf den Grund gehen, denn wie der eine oder andere Mitarbeiter erklärt hatte, gab es Gerüchte, der Chef habe den Schwiegersohn nur noch wegen seiner Tochter in der Firma geduldet und hätte nichts lieber getan, als ihn umgehend auf die Straße zu setzen.
»Ach, das ist alles nur Geschwätz«, erregte sich Sabine Förster. »Sie glauben doch nicht im Ernst, dass sich solch ein junges Ding auf einen zwanzig Jahre älteren Mann einlässt.«
»Das soll es in der Tat schon gegeben haben.«
»Bei einem Sugar-Daddy vielleicht, bei meinem Mann war aber nichts zu holen. Er war, genau wie ich, ein normaler Angestellter. Wir besitzen keine Reichtümer. Mir wäre aufgefallen, wenn Sascha Giulietta ausgehalten hätte. Schauen Sie sich das junge Ding doch an: Ständig trägt sie neue Klamotten. Das hätte sich mein Mann gar nicht leisten können.«
»Ein paar Ihrer Kollegen haben angegeben, die beiden in kompromittierenden Situationen gesehen zu haben.«
»Ach, das war an Fasching«, winkte Sabine Förster ab. »Sascha hatte zu tief ins Glas geschaut und versucht, mit Giulietta zu knutschen.«
Hackenholt beschloss, nicht weiter nachzuhaken. Die Fahrer hatten ihn gewarnt, dass die Juniorchefin die Realität in diesem Punkt ausblendete. Stattdessen wechselte er das Thema.
»Lassen Sie uns noch einmal darüber sprechen, wie Ihr Mann den Auftrag akquiriert hat.«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß es beim besten Willen nicht. Eines Abends kam er heim und sagte, er hätte einen ganz großen Fisch an der Angel. Wenn es ihm gelingen würde, den Auftrag zu bekommen, hätte die Spedition für die nächsten drei Monate ausgesorgt, und dann könnte mein Vater sich auch nicht mehr länger weigern, uns die Firma zu überschreiben. Mehr wollte er dazu nicht sagen.«
»Es war also definitiv Ihr Mann, der den Kontakt zum Museum hergestellt hat?«
»Natürlich, wer denn sonst? Mein Vater vielleicht? Dass ich nicht lache!«
»Was ist mit Herrn Graef?«
Sie sah ihn einen Moment lang irritiert an, dann schüttelte sie den Kopf. »Thorsten hat sich mit Sicherheit nicht für uns starkgemacht. Er war auf dem Sprung. Noch ein, zwei Monate und er wäre zur Konkurrenz gewechselt. Er hatte sich bereits beworben. Mein Vater weiß nichts davon, aber mir hat er es erzählt, damit ich bei meiner Planung keine Probleme bekomme. Es war mein Mann, der bei irgendeiner seiner Kneipentouren jemanden getroffen hat, der ihm von den Museumstransporten vorschwärmte – und wie viel man dabei verdienen kann.«
Damit war Giulietta Veccios Aussage, Sascha Förster habe nichts von dem Transport gewusst und erst am Vorabend von seiner Frau erfahren, dass er nach Österreich fahren sollte, ganz offensichtlich gelogen. Andererseits hatte Hackenholt nur Sabine Försters und Heinrich Dippolds Wort, dass es so und nicht anders gelaufen war.
Was, wenn die Tochter des Chefs sehr wohl von dem Verhältnis zwischen ihrem Mann und der Azubine wusste? War es möglich, dass Vater und Tochter ein Mordkomplott geschmiedet hatten? Ging es bei dem Überfall schlussendlich gar nicht um den Raub des Reichsapfels, sondern darum, Sascha Förster auszuschalten?
Aber warum war dann Thorsten Graef lebensgefährlich verletzt worden? Konnte er die Täter identifizieren? Hatte Förster vielleicht einen der vermeintlichen Polizisten erkannt und seinen Namen gesagt, sodass er annehmen musste, Graef würde zu einem Sicherheitsrisiko werden? In dem Fall stellte sich die Frage, wo
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