Hackschnitzel
bedauerte, keine Wintermütze mitgenommen zu haben.
Wohin?
Die Dienstzeit war eigentlich schon vorüber, aber nach Heimgehen war ihm gar nicht zumute. Carla schon wieder mit einer üblen Laune den Abend verderben? Nein.
Er hatte das Gefühl, er müsste sich ablenken, auf andere Gedanken kommen. Aber wie?
Auf der Fußgängerbrücke überquerte er die vierspurige Kriegsstraße, blieb oben stehen und schaute einige Minuten dem hektischen Verkehr zu. Dann spürte er die Kälte wieder und ging weiter, immer der Lammstraße nach. Kurz vor der Fußgängerzone blieb er stehen.
Ja, richtig, hier war er doch vorgestern gewesen. Technisches Rathaus, Tiefbauamt – das Gespräch mit dem früheren Kollegen von Fink – wie hieß er noch mal? Genau, Roth, Hans-Peter Roth, Sachgebietsleiter Auftragsvergabe. Auch einer, der nichts wusste. Zumindest nichts von vor zwanzig Jahren und nichts über seinen damaligen Arbeitskameraden.
Lindt rieb sich seine kalten Ohren und blickte an der Fassade nach oben. Erstaunlich viele Fenster waren noch erleuchtet.
Er linste auf seine Armbanduhr. Schon kurz vor sieben! Dann arbeiten da nur noch die Reinigungstrupps, war er sich sicher.
Irgendetwas im Zusammenhang mit diesem Amt hielt ihn zurück. Er klopfte seine Pfeife aus, schaute wieder hoch, aber – nichts zu machen – er kam nicht drauf.
Ohne klares Ziel bog er nach links in die Kaiserstraße ein. Vor einem guten Monat hatte die ganze Fußgängerzone noch von den Lichtern der Weihnachtsbeleuchtung gestrahlt.
Nun waren die Geschäfte schon voll auf Fasching dekoriert. Luftschlangen, Pappnasen, phantasievolle Kostüme – Lindt betrachtete im Vorbeigehen die bunten Schaufenster.
Die Kälte wurde ihm wieder bewusst, da kam ihm die Buchhandlung weiter vorne wie gerufen.
Nicht nur der Wärme wegen trat er ein, nein, Lindt mochte die Atmosphäre der vielen tausend Bände in den langen Regalen. Fast jede Woche war er in einem der Buchläden zu finden. Jedes Geschäft hatte seinen eigenen Charme und der Kommissar fühlte sich wohl inmitten der geballten Flut von Worten und Bildern, die darauf warteten, entdeckt zu werden.
Nur selten hatte er einen speziellen Wunsch und häufig ging er wieder, ohne etwas gekauft zu haben, aber das Umschauen, das Blättern in den ausgelegten Ansichtsexemplaren, kurz, das Stöbern gefiel ihm sehr.
Einmal sogar, beim ›Bucheckern-Fall‹, hatte er hier eine zündende Idee bekommen, wie er dringend benötigtes Beweismaterial beschaffen könnte. Seither besuchte er die Geschäfte noch lieber und auch das Verkaufspersonal kannte ihn als den immer nach Pfeife riechenden Stammgast.
›Schade, dass man hier nicht rauchen darf‹, dachte Lindt und nahm einen Bildband über den Hardtwald zur Hand. ›Sieh an, sogar die Waldstadt ist genau beschrieben.‹
Er hatte die Entstehung und stetige Vergrößerung des Stadtteils, in dem er jetzt seit einiger Zeit auch selbst wohnte, in seinen vielen Dienstjahren genau mitbekommen und nickte anerkennend, als er durch die Seiten blätterte.
Auch der Krimiabteilung stattete er einen Besuch ab. ›Erstaunlich, welche Fantasie die Autoren entwickeln‹, lächelte er vor sich hin. ›Häufig hat das, was sie schreiben, mit unserer tagtäglichen, mühseligen Puzzlearbeit zwar nicht viel zu tun, aber spannend zu lesen sind doch die meisten.‹
In der Haus- und Gartenecke fiel ihm ein Buch über Heizen mit Holz in die Hand.
Einen Kaminofen wollten Carla und er demnächst einbauen lassen. Wohlige Strahlungswärme und das knisternde Prasseln eines Holzfeuers sollte zukünftig an Winterabenden für Gemütlichkeit sorgen.
Außerdem hatte er sich vorgenommen, in ein paar Jahren, im Ruhestand, selbst mit Axt und Säge loszuziehen, um im Wald das nötige Holz zu sammeln.
Er blätterte weiter, doch als er zum Kapitel über Hackschnitzelfeuerungen kam, stellte er das Buch schnell ins Regal zurück. ›Konrad Fink in kleinen Stückchen‹ hatte ihm vollauf gereicht.
Ein Blick zur Uhr – schon kurz vor acht – bald Ladenschluss. Lindt schlug den Kragen hoch und wandte sich in Richtung Ausgang.
Kurz vor der Kasse stach ihm etwas knallig Rotes ins Auge. Er ging zwei Schritte zurück und nahm den großformatigen Bildband zur Hand. ›Faszination Sportwagen‹ lautete der Titel, aber das Bild war es, was seine Aufmerksamkeit erregte.
Täuschte er sich? ›Nein, nein, ich muss mich irren, das kann nicht sein.‹ Dann zweifelte er wieder: ›Oder doch? Aber wie kann sich der denn so was
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