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Hades

Hades

Titel: Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Adornetto
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hielt der Wächter aus irgendeinem Grund nie an. Immer wenn ich sicher war, dass er weg war, schob ich mich zu dem Blechnapf und trank gierig einen großen Schluck Wasser. Es schmeckte unangenehm metallen. Mein ganzer Körper fühlte sich wund an, aber am schmerzvollsten war die Stelle hinter meinen Schulterblättern. Jetzt, wo ich mich nicht einmal mehr ausstrecken konnte, taten meine Flügel mir mehr weh als je zuvor. Ich hatte das Gefühl, verrückt zu werden, wenn ich nicht bald erlöst wurde.
    Um mich abzulenken, dachte ich über Molly und Gabriel nach, wobei meine Gedanken beiden gleichermaßen galten. Ich war in Gedanken bei beiden. Egal, welche ungewöhnliche Verbindung zwischen ihnen bestand, sie hatte keine Chance, sich zu entwickeln. Molly war nicht in der Lage, zu begreifen, was göttliche Liebe bedeutete. Dass es Liebe in ihrer reinsten Form war, unverfälscht durch menschliche Deutung, und dass sie alle Lebewesen einschloss. Sie war ein Fest der Schöpfung.
    Auch wenn die Heftigkeit von Mollys Gefühlen Gabriel verwirrt hatte, würde er damit klarkommen. Er würde nicht vom Kurs abweichen, nicht einmal darüber nachdenken. Molly hingegen würde unter dieser Zurückweisung schwer zu leiden haben. Ich hoffte, dass Xavier ihr zur Seite stand. Er war in einem Haus voller Schwestern aufgewachsen – er fand bestimmt die richtigen Worte.
    Ich wusste, dass Jake irgendwann auftauchen würde, und tatsächlich nahm ich bald darauf seine Silhouette im Dunkeln wahr. Dann wurde auch sein Gesicht hinter den Gitterstäben sichtbar, angestrahlt von einer Taschenlampe, die er in der Hand hielt, und der Geruch seines würzigen Parfüms breitete sich aus. Zum ersten Mal versetzte mich seine Anwesenheit nicht in Alarmbereitschaft. Vielmehr war ich regelrecht erleichtert, ihn zu sehen.
    Ich kroch Zentimeter für Zentimeter auf ihn zu und nahm in Kauf, dass ich mir dabei an dem harten Betonboden meiner engen Behausung die Haut aufschürfte. Wie gern hätte ich Jake zum Teufel gejagt, ihm gezeigt, wie wütend ich war, aber ich schaffte es nicht, ich war zu schwach. Wir wussten beide, dass ich seine Hilfe brauchte, wenn ich nicht in diesem Mauerwinkel verenden wollte, lebendig begraben, bis mein Körper dahingesiecht und mein Geist erdrückt war.
    «Es ist eine Schande!», zischte er leise, als er im Licht der Taschenlampe sah, in welch miserablem Zustand ich mich befand. «Das werde ich ihm niemals verzeihen.»
    «Kannst du mich hier rausholen?», fragte ich und hasste mich selbst dafür, dass ich nicht mehr Gleichmut zeigte. Aber vielleicht war ich ja nicht zur Märtyrerin bestimmt, schließlich hatte ich schon den Scheiterhaufen überlebt.
    «Was glaubst du denn, warum ich hier bin?», sagte er selbstzufrieden. Er berührte das Vorhängeschloss, das sofort zu Asche zerfiel und auf den Boden rieselte.
    «Aber wird Opa Luzi es nicht herausfinden?», fragte ich und war selbst überrascht, dass ich seinen Spitznamen benutzte.
    «Das ist nur eine Frage der Zeit», sagte Jake sorglos. «Hier unten gibt es mehr Spione als Seelen.»
    «Und was heißt das?» Ich musste wissen, was mir bevorstand. Konnte Jake höchstens eine Gnadenfrist für mich herausschinden?
    Er schien meine Gedanken lesen zu können. «Darüber machen wir uns später Gedanken.»
    Er zog an der Zellentür, die sich tatsächlich ein Stück bewegte, gerade weit genug, dass ich hindurchpasste.
    «Beeil dich», drängte Jake, als ich mich nicht rührte. Selbst die kleinste Bewegung fiel mir schwer.
    «Wie lange war ich hier unten?»
    «Zwei Tage, aber wie ich gehört habe, hast du ziemlich viel geschlafen. Gib mir die Hand. Es tut mir leid, dass es so weit gekommen ist.»
    Seine Entschuldigung traf mich unvorbereitet. Normalerweise übernahm Jake nie Verantwortung für die Schäden, die er anrichtete. Was hatte er vor? Seine übliche spöttische Distanziertheit war verschwunden, stattdessen lag seine Stirn in Falten, als würde ihn etwas beschäftigen. Sein scharfer Blick ruhte auf mir.
    «Es geht dir nicht gut», stellte er schließlich fest. Hätte es mir unter diesen Umständen etwa gutgehen sollen? Was glaubte er eigentlich? Jake war wie ein Chamäleon und änderte sein Verhalten so, wie es ihm passte. Das besorgte Gehabe, das er jetzt an den Tag legte, gefiel mir nicht, und ich konnte mir eine sarkastische Antwort nicht verkneifen.
    «In einer Zelle eingesperrt zu sein ist nicht gut für den Teint», murmelte ich.
    «Ich versuche dir zu helfen, das könntest du

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