Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
noch gelegentlich ein Mietpferd bewegen und auf ein Permit hoffen, die hiesigen Höhlen durchsuchen zu dürfen. Und nun bin ich hier, seit Wochen schon. Das Pferd ist jetzt ein Kamel, und die Londoner Gesellschaft müßt Ihr mir ersetzen. Sir, ich vermute, die Bedeutung des Wortes Bakschisch 10 hat Euch mehr Vorteile gebracht als mir der Name Kara Ben Nemsi.«
»Und doch stand schon damals geschrieben, daß alles so kommen solle, wie du es wünschtest«, lächelte Halef schlau. »Du bist hier, und ich beschütze dich. Du sehnst dich nach Entdeckungen,
ich verhelfe dir dazu – ist das nicht Anlaß genug, dem einzig wahren Gott zu danken? Ich bitte dich, Effendi, schwöre Jahwe ab, und öffne dich Allah!«
»Ja, verehrter kleiner Sir, um nichts anderes ist es Euch zu tun als dem Koran oder diesem Kara Ben Nemsi. Sagt, warum ist er Euch Sihdi, und ich bin nur Effendi?«
»Darum gräme dich nicht. Anders als du zeichnet freilich Kara Ben Nemsi sich dadurch aus, daß er meine Nähe sucht und sie nicht flieht. Er ist weise. Und er spürt, daß sich ihm eine Zeit der Wandlung naht.«
»Wandlung? Ihr hofft ernsthaft, einen Christen auf Eure Seite zu ziehen, noch dazu einen deutschen?«
»Ich hoffe es nicht nur, ich weiß es sogar. Als Beschützer meines Sihdi bin ich auf die Rettung seiner Seele bedacht. Wie sonst könnte er dereinst ins Paradies gelangen? Meinetwegen ist er bereits zum Helden geworden, meinetwegen verfügt er schon über die schönsten Anlagen zum Heilslehrer. Darum bezeichne ich ihn, wie es bei den Yogis in Indien Brauch ist, als meinen Sihdi. Bewähre auch du dich, und höre nur immer recht genau zu, wenn ich aus dem Koran zitiere. Jeder Tag, den du weiter zögerst, ist ein verlorener. Schwöre auf Allah. Nur so kann aus deinem ›Effendi‹ gleichfalls ein ›Sihdi‹ werden.«
» I see – Kara Ben Nemsi ist also bereits konvertiert?«
»Nun, noch nicht ganz. Er hat sich Bedenkzeit ausgebeten, um noch einmal hinüber, in sein Amerika, zu reisen. In der Abgeschiedenheit der Wüste dieses traurigen Landes will er sich bedenken. Dann wird er jedenfalls zu mir zurückkehren und sich zur Lehre Mohammeds bekennen.«
»Wie bitte? Die Wüste Amerikas, sagt Ihr? Ein trauriges Land nennt Ihr es? Verehrter kleiner Sir, es gibt wohl Ödland in den Vereinigten Staaten, etwa jenes, das Great Basin geheißen wird. Auch die Sonora- und die Mohavewüste sind als ein solches bekannt, ebenso das Death Valley, gelegen zwischen Kalifornien und Nevada. Aber sonst ist Nordamerika, von dem Ihr doch
sprecht, ein durchweg grünes, wasserreiches Land. Mit der Sahara ist es nicht zu vergleichen.«
»O doch, das ist es! Und wie bei uns bevorzugen die dortigen Ureinwohner Fleisch, nämlich das von Ziege, Hammel, Rind – ich weiß alles über dieses Amerika!«
» Well, Sir, wenn Ihr gestattet, korrigiere ich Eure Allwissenheit ein weiteres Mal. Die Ureinwohner, Indianer genannt, haben nur selten Gelegenheit zum Fleischverzehr. Eine solche bietet sich ihnen fast ausschließlich nur um die Zeit der Büffelwanderungen. Das erjagte Fleisch wird weitgehend getrocknet, um es für Monate genießbar zu halten. Im Gegensatz zu den hiesigen Beduinen bauen die nordamerikanischen Stämme überwiegend Mais und Bohnen an. Sie beziehen daraus ihre Hauptnahrung. Diese erweitern sie durch Jagd und Fischfang. Darum wird man so etwas wie einen wohlbeleibten Indianer kaum je zu Gesicht bekommen, Ihr wohl am allerwenigsten. Oder wart Ihr, wie ich, schon einmal in den Vereinigten Staaten?«
»Bei Allah! Was soll ein Rechtgläubiger in einem solchen Lande, wo es von Ungläubigen nur so wimmelt? Vielleicht habe ich wirklich noch nie einen beleibten Indianer gesehen. Dafür kennt niemand einen ranken Scheik der Haddedihn, der den vieltausenden verlorenen Seelen aus dem Koran zitiert.«
Bei dem Wörtchen »rank« verzog Halef keine Miene, es war ihm ernst damit. Sir Edward lächelte unverhohlen, was Halef nicht sehen konnte, doch sogleich wandte sich seine Aufmerksamkeit einem anderen Gegenstande zu.
»Effendi, auf einmal schweigst du. Sicherlich wirst du eingesehen haben, daß deine Kenntnisse über Amerika so falsch und lückenhaft sind wie deine Ansichten in Glaubensdingen. Es ist nun einmal so, daß – – – «
Halef kam nicht dazu, seine Belehrung fortzusetzen. Sir Edward schloß unvermittelt zu ihm auf, so daß sie einander ins Gesicht blickten, der Moslem und der vorgebliche Jude. Der Mund des letzteren stand freilich noch ein
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