Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal

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Shatterhand. Meine Entscheidung lautet, das Kommando zu übernehmen – kraft der mir von der Regierung der Vereinigten Staaten verliehenen Vollmachten übernehme ich hiermit die Befehlsgewalt. Ihr, Old Shatterhand, seid ab sofort meine rechte Hand und reportiert direkt an mich; Winnetou
ernenne ich in Abwesenheit zu meinem und Eurem Stellvertreter. Ihr seid jetzt beide, was Ihr von Anfang an nur wart: die Scouts in unserer Unternehmung.«
    Das war unerhört: Der Alte schwang sich zum General auf! Wäre sein Vorhaben nicht derart lächerlich gewesen, ich hätte ihn geohrfeigt. Zunächst versuchte ich es noch mit einem Argument:
    »Mister Everts, nehmt zur Kenntnis, daß niemand unter den Anwesenden den Vorzug genießt, Bürger dieses Landes zu sein. Herr Hirtreiter stammt aus Bayern, ist demnach Deutscher, genau wie Fräulein Alma und ich, die wir gebürtige Sachsen sind. Hadschi Halef Omar kommt aus einem arabischen Lande; er ist ein Haddedihn und Scheik derselben. Und Winnetou gar ist Indianer, Apache und Häuptling. Wir sind unabhängige, freie Menschen. Niemand hat uns zu befehlen.«
    »Papperlapapp! Und wenn Ihr vom Mond kämt – wer immer in diesem Land seinen Aufenthalt nimmt, hat zu gehorchen. Old Shatterhand, als erstes befehle ich: Händigt mir Euer Gewehr aus, denn ich bin unbewaffnet, und Ihr habt zwei!«
    Fordernd streckte der Alte seine knochigen Hände nach meinem Henrystutzen aus, den ich seit unserem Erlebnis am Big Sandy River nicht mehr weggelegt hatte.
    »Seid Ihr toll? Ich leihe Euch eine meiner Brillen, nicht aber eine meiner Waffen!«
    »So vergeht Ihr Euch gegen das Gesetz, welches hier von mir verkörpert wird. Weigert Ihr Euch oder handelt Ihr zuwider, lasse ich Euch arrestieren. Her mit der Waffe!«
    Er machte einen kläglichen Versuch, mir den Stutzen zu entreißen. Obwohl ich ihn mit sanfter Gewalt zurückstieß, ließ er nicht von seinem Vorhaben ab.
    »Old Shatterhand, zum letzten Male: das Gewehr!«
    »Nein, Mister Everts. Ihr zwingt mich, Euch zu binden, wenn Ihr nicht verständig werdet.«
    »Binden, mich? Einen Staatsbeamten?«

    »Allerdings. Und wenn Ihr vom Mond kämt, wie Ihr sagt, ich höre mir Eure Albernheiten nicht länger an.«
    Diese Zurückweisung brachte Everts so sehr in Rage, daß er sich mit unerwarteter Kraft gegen mich stemmte. Ich ahnte, daß er im Begriff war, zu Schaden zu kommen, denn zwischen uns war immer noch mein Gewehr, und es war geladen, sogar entsichert.
    Da geschah es – ein Schuß löste sich! Dumpf rollte sein Knall über die Ebene. Vor Schreck wich der Alte zurück und verstummte. Niemand von uns war zu Schaden gekommen, aber das Geräusch mußte über Meilen hinweg zu hören gewesen sein.
    Stille trat ein. Niemand bewegte sich oder sprach etwas, selbst der Wind hatte aufgehört zu wehen. Wir standen, horchten, spähten, denn ein jeder von uns wußte, was dieser Schuß anrichten konnte.
    Zunächst kaum wahrnehmbar, dann ganz leise, allmählich aber stärker werdend, vernahmen wir ein Geräusch. Gleichzeitig begann der Boden zu erzittern, die Luft bewegte sich wieder – unsere Befürchtung wurde zur Gewißheit: Ein weiteres Mal waren wir entdeckt worden.
    Die Abendsonne im Rücken, erblickten wir aus gar nicht so großer Ferne einen Reiterpulk. Dutzende Männer, durch ihre Hüte schon von weitem als Weiße zu erkennen, schwärmten über die Breite der Prärie aus, einer Büffelherde gleich, die alles niederwalzen oder mit sich reißen würde, was sich ihr in den Weg stellte. Hinter diesen Reitern, auch das war bereits zu erkennen, folgte eine noch viel größere Schar – die vorderste Linie wurde demnach von Hayes und seiner Bande gebildet, als Hauptstreitmacht folgten ihnen die Schoschonen. Gegen eine solche Armee kam auch mein Vielschüsser nicht auf.
    »Da habt Ihr die Quittung für Euren Starrsinn«, sagte ich zu Everts, der vor Angst wieder verzwergt war. »Unser größter Vorteil, nämlich in der Prärie unbemerkt zu bleiben, ist durch Eure Dummheit zunichte gemacht. Selbst Ihr mit Euren Maulwurfsaugen könnt diese Reiter nicht übersehen. Euer Spatzengehirn
wird Euch sagen, daß es uns nun an den Kragen geht. Die Feinde befanden sich zwar in unserer Nähe, hätten uns aber kaum entdeckt, wenn wir Ruhe gehalten hätten. Damit ist es nun vorbei.«
    Everts warf mir einen geringschätzigen Blick zu. »Wo ist nun Eure Gottheit, Old Shatterhand, die Himmelsmacht, auf die Ihr Euch immer beruft? Ihr mögt in Christo ergeben sein, aber seid Ihr