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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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euch eine wichtige Botschaft, welche die anderen Bleichgesichter betrifft, die seit einiger Zeit bei euch gefangen sind. Auch sie wurden auf heimtückische Weise niedergerungen, allein Old Shatterhand wird sie befreien!«
    Das war ein Affront: Ein sichtlich wehrloser Mann wollte vor dem Ältestenrat sprechen und anschließend zwei Dutzend Gefangene befreien? Doch wohin ich auch blickte, in keinem Auge sah ich Zorn oder Haß für meine Worte. Man war vielmehr verwundert, wie ungezwungen ich in meinen Fesseln auftrat, inmitten so vieler bewaffneter Krieger.
    Hayes spürte, daß ihm die Felle davonschwammen, er wurde unruhig. Das hatte ich bezweckt. Ich wollte herausfinden, wie stark seine Stellung unter den Roten sei. Nur so würde es mir möglich sein, seinen Lügen die richtigen Argumente entgegenzusetzen. Mitnichten gelassen, schrie er:
    »Hört nicht auf Old Shatterhand! Er tut, als wäre es ein großes Geheimnis, was er beabsichtigt, aber Ma-ta-weh weiß, was er plant: Zusammen mit Winnetou will Old Shatterhand hinauf zu den heißen Quellen. Dort wollen sie die Erdgeister stören, damit sie sich an den Schoschonen rächen! Die Bleichgesichter, die wir
gefangennehmen konnten, waren seine Späher. Sie alle gehören an den Marterpfahl, um für ihren Frevel zu büßen! «
    Ich hörte es nicht gern, aber Hayes’ boshafte Worte erhielten Zustimmung. Da er mich zu einem Rededuell forderte, setzte ich ihm mit erhobener Stimme entgegen:
    »Manitou wacht über alle Menschen, und Manitou bestimmt ihre Geschicke! Wo seine Allmacht sich zeigt, verstummt ein jeder Mund. Damit seine Kinder dies nie vergessen, hat er ihnen viele Geister gesandt. Sie sitzen auf jedem Aste, wohnen in jedem Strauche; sie leben in jedem Wassertropfen und in jedem Atemhauch – wer von den Schoschonen wollte glauben, daß einzelne Menschen, und wären es Winnetou und Old Shatterhand, diesen Geistern etwas anhaben könnten, erst recht den Erdgeistern an den heißen Quellen? Wer so etwas behauptet, der lügt. Sodann …« Ich blickte ernst um mich her. »Sodann Winnetou! An ihn hat Ma-ta-weh sich gar nicht erst gewagt, er vermag ihn nicht einmal zu finden. Sehen etwa die Krieger der Schlangen den Häuptling der Apachen? Hat man ihn finden, binden, zu ihnen bringen können? Nein, denn Winnetou kann man nicht besiegen. Er ist so unbezwingbar wie eure Geister, die nur Gutes für euch wollen. Darum wartet, bis Old Shatterhand sich dem Rat eröffnet hat. Allein dieser mag sein Urteil fällen!«
    Es fehlte nicht viel, und ich hätte für meine Ansprache Jubel geerntet. Wenigstens hatte ich der Angstmacherei von Hayes eine freundlichere Vision entgegengesetzt. Es mußte sich weisen, ob ich damit weiterkam oder nicht.
    Bislang hatte mich Donnerwolke gewähren lassen. Er tat dies wohl aus ähnlichen Motiven wie ich gegenüber Hayes: Je höher er mich steigen, also reden ließ, desto tiefer konnte ich fallen; den Rachegefühlen seines »Bruders« mußte nicht er, sondern der Ältestenrat Genüge tun. Deshalb erklärte er salomonisch:
    »Donnerwolke hat Old Shatterhand sagen lassen, was er zu sagen hat. Aber auch Ma-ta-wehs Worte haben Gewicht. Er hat sich als unser Freund erwiesen und will alsbald dieses weiße
Mädchen zu seiner Squaw machen. Deshalb muß noch in dieser Nacht über Old Shatterhand befunden werden. Als großer Krieger soll er die Gelegenheit haben, sich zu offenbaren, doch muß er weiterhin gebunden bleiben. Richtet ein Zelt, in dem er den Beginn der Verhandlungen erwarten kann! Bringt die Gefangenen zu den anderen, aber das weiße Mädchen zu unseren Frauen. Sobald die Feuer lodern, beginnt die Beratung!«

    Für den Rest des Nachmittages wurde ich in ein Zelt gesteckt, welches man eigens für mich leer geräumt hatte. Ungestört, aber weiterhin fest verschnürt, lag ich auf dem nackten Boden. Ich hatte versucht, ein wenig zu schlafen, was mir auch gelang, doch kaum war ich erwacht, wurde die Plane zurückgeschlagen, und Milton Hayes trat ein. Zu meinem Erstaunen war er scharf rasiert und hatte seine Westkleidung abgelegt. Auch trug er nun wieder einen Anzug mit Weste sowie einen breitkrempigen Hut. Damit sah er genauso stutzerhaft aus wie kürzlich im Boarding House. Ich verstand: Er wollte mich beeindrucken, gewiß auch Alma. Ihr sollte sein kostspieliges Gewand wohl eine Verheißung auf künftigen gemeinsamen Reichtum sein – wie leicht war dieser Mann zu durchschauen.
    Mit Begrüßungsworten hielt er sich nicht auf. Stattdessen baute er

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