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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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rammte ihm dabei, noch aus der Bewegung heraus, meinen linken Fuß in den Bauch.
    Er wollte aufschreien, doch blieb ihm die Luft weg. Schmerzerfüllt griff er sich an die Stelle, die ich getroffen hatte – das Bärenmesser fiel zu Boden. Mit meinem rechten Fuß stieß ich die Waffe von uns beiden fort, daß sie über den Boden rasselte und an der äußersten Felskante, kurz vor dem Abgrund, liegenblieb.
    Erst fassungslos, dann um so wütender über seine plötzliche Entwaffnung, starrte Hayes mich an. Alma, die an die Felswand geflüchtet war, stieß einen weiteren Entsetzensschrei aus. Derart brutal und rücksichtslos hatte sie Hayes noch nicht erlebt, sie ahnte, genau wie ich, daß der Kampf keineswegs schon zu Ende war.
    Denn wie aus einer unheimlichen Kräftequelle gespeist, drang Hayes nun erst recht auf mich ein. Als tanzte er, bewegte er seine gestiefelten Füße derart rasch hin und her und auf und ab, daß mir viel Jüngerem die Abwehr schwer wurde. Je schneller nämlich
Hayes trat – und er zielte immer gegen meinen Unterleib –, desto mehr war ich gezwungen, ihm auszuweichen. Zu diesem Zwecke robbte ich, weiterhin auf dem Rücken, der Länge nach sowie rückwärts über den Boden, was mir die Glattheit des Felsens ermöglichte. Allerdings kam ich dadurch dem Abgrund, wo wiederum das Bärenmesser lag, immer näher. Ich mußte eine Entscheidung erzwingen!
    Aber ich hatte kein Glück. Gerade als ich den Trick anwenden wollte, abrupt innezuhalten, in der Absicht, Hayes über mich stolpern zu lassen, hatte er wohl die gegenteilige Idee. Aus seinem »Tanze« heraus warf er sich über mich. Da ich bereits für einen Wimpernschlag bewegungslos war, konnte es ihm gelingen, mit seinem ganzen Körper auf mir zu landen. Ohne Zögern nutzte er seine Chance, preßte mir seine Knie auf den Brustkorb und würgte mich an der Kehle – nie zuvor hatte ich einen wilderen, entschlosseneren Feind gegen mich gehabt, und wieder konnte mein berühmter Jagdhieb mich nicht retten. Um diesen anzubringen, hätte ich mir erst Raum verschaffen müssen, doch dazu gab mir Hayes keine Gelegenheit. Aus seinem verzerrten Gesicht stach die reine Mordlust.
    So war unser Ringen heftig und doch fast lautlos, wie überhaupt das Sterben oft nur ein stilles Verglühen ist. Dies war ein Moment, wie er nur mit jenem furchtbaren Kampfe vergleichbar ist, den ich einst mit Winnetou ausfocht, von welchem ich, wie der Leser sich erinnern wird, jene Stichwunde am Halse davontrug – und bei welchem ich unterlag!
    Hier waren die Verhältnisse andere, wie ich noch immer hoffte. Ein Sachse war im Begriff, einen anderen Sachsen zu meucheln; der eine war Milton Hayes, der andere ich, Old Shatterhand. Mich sollte er nicht bezwingen!
    Gleichzeitig geschah etwas Eigentümliches.
    Hatte ich bislang in ein Augenpaar geblickt, das kalt und mitleidlos die Arbeit jener um meine Gurgel geschlungenen Hände verfolgte, so wurde dieses Augenpaar mit einem Male von einem
zweiten überlagert. Aufs äußerste besorgt, aber auch voll Mitgefühl und Kampfeswillen strahlte es tief in meine eigenen Augen hinein und erfüllte mich mit neuer Zuversicht und neuen Kräften: Mir war, als blickte Alma auf mich! Ich sah sie vor mir als die reine Engelsgestalt, dann wieder war sie die Schützin mit Büchse und Bogen, die Schwimmerin und die Taucherin und überhaupt die junge ungewöhnliche Frau aus Leipzig, in all ihrer Anmut und Klugheit. Das warme Feuer in ihren Augen durfte ich nicht zum Erlöschen bringen, indem ich etwa Tränen in sie goß, was mein Sterben gewiß bewirkt hätte.
    Doch noch lag ich am Boden, und Hayes drückte mir das Leben aus der Kehle, wie er es schon in dem Schoschonenzelte versucht hatte. Ein drittes Augenpaar erschien über mir – das samtene Licht Winnetous! Das konnte nur bedeuten, daß »es« soweit war. Bedeutete dies meine letzte Freude vor dem Hinübergleiten ins Dunkel, daß ich noch einmal in die Seelenspiegel meines Blutsbruders blicken durfte? Doch warum wehrte ich mich nicht, oder besser, warum bewirkte meine Gegenwehr nichts mehr?
    Es war kein weiterer Anblick, sondern ein Geräusch, das alles veränderte.
    Ich glaubte Glocken schlagen zu hören, aber es war ein Gong, den ich hörte, wirklich ein solcher, noch heute erinnere ich mich an diesen feinen hellen Klang, so reich an Obertönen und Schwingungen. Auf einmal ließ Hayes von mir ab. Seine Hände wurden schlaff, seine Knie rutschten von meiner Brust. Er sank zur Seite und brach

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