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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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nachdenklich den Kopf.
    »Die einen sagen, er stamme aus Boston; er gibt sich auch Mühe, gewandt wie ein Städter zu wirken. Seiner Aussprache des Englischen nach ist er aber Deutscher wie Sie und ich, sein Name könnte ein angenommener sein. Es kommen hier die abenteuerlichsten Geschöpfe vorbei. Vor ein paar Tagen erst hatte ich hier ein alleinreisendes junges Mädchen. Sprach kaum ein Wort, erwies sich aber als wehrhaft, als Mister Hayes zu nahe rücken wollte. Hui, wie das klatschte, wie das prasselte! Es kam dem Fräulein aber noch ein anderer Gast zu Hilfe, ich glaube, ein Mexikaner.«
    »Ein Mexikaner?« zweifelte ich. »In Wyoming?«
    »Ja, wir wunderten uns alle. Aber der Kleine trug einen grünen Sombrero, wenigstens sah seine Kopfbedeckung so aus. Und sein Gewand war kein richtiges, es bestand vollständig aus Tüchern – ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, mir ist noch nie ein Mexikaner untergekommen. Aber als er loslegte, um das Mädchen zu beschützen, das war ein Aufstand! Er rief seine Worte nicht, er gurgelte und ächzte sie heraus und tremolierte so sehr, daß ich fast meine eigene Sprache vergaß. Anderntags bezahlte er korrekt, genau wie das Fräulein, und dann zogen sie vereint weiter. Nur, mein Herr, ich denke, dieser Galan braucht selber Schutz, und zwar vor dem Fräulein – das hatte Haare auf den Zähnen!«
    »Diese beiden«, sinnierte ich. »Und immer mit dabei: Ihr Mister Hayes!«
    »Bester Herr, er ist nicht mein Mister Hayes, er ist überhaupt
von niemand der Mister! Er scheint nur den Aufbruch der Washburn-Leute zu erwarten, dann bin ich ihn los. Aber seine Stimme, sein Ton – nichts für ungut, aber bei Ihnen klingt alles wie bei ihm, wobei Sie ein viel umgänglicheres Gemüt besitzen – Mischter!«
    Die Wiederholung dieses nun wieder eingeschwäbelten »Mister« faßte ich als Scherz auf und tat gut daran: Aus dem Wirt namens Faffle und vor allem Pfäffle dröhnte jetzt ein helles, stuttgartliches Lachen, so laut und herzlich und befreit, daß ich nicht anders konnte, als einzustimmen. Und wir blieben nicht allein vergnügt, der Schwabe und ich Sachse; auch Washburn und seine Männer, die wir einander immer noch nicht vorgestellt waren und die immer noch des Festmahls harrten, stimmten mit ein, daß die Balken zitterten.
    Plötzlich übertönte das gemeinsame Lachen ein Geräusch, wie ich es zuvor noch nie und auch späterhin an den Grenzen zu den dark and bloody grounds nicht mehr vernahm. Es war der schwingungsreiche Klang eines Gongs, wie er in europäischen Hotels und Salons – oder in deutschen Königspalästen – vornehm zum Speisen ruft. Diesem alles durchdringenden Ton folgte aus dem hinteren Teil des Gastraumes ein obertonreiches Klingen, wie man es allein von Silbergeschirr kannte. Die Männer, der Wirt sowie ich reckten den Kopf; schon flog die bisher geschlossene Tür zur Küche auf.
    Und was bekamen wir zu sehen!
    Ein schier babylonischer Turm aus über- und ineinander gestapelten Platten schob sich in die Stube. Blind balancierte das Gebilde vorbei an dem Tresen, auf die hungrig wartenden Westleute zu. An der Unterseite allerdings wurden zwei kurze Beine sichtbar, und zu den Seiten blitzte mal links, mal rechts eine mannshohe weiße Kochmütze hervor. Das schwankende Gebilde verströmte die verlockendsten Dämpfe und Dünste, und durch diesen Nebel rief es mit kernigem deutschem, nein, bairischem Akzent:
    »Obacht, Leutl, paßts auf; Achtung, attention; voilà, messieurs – Mittagsmahl für fünfzehn Gedecke!«

    Diese Mitteilung fuhr wie Sturmgebraus unter die Wartenden! Vorbei war es mit ihrer Geduld, ihrer Zurückhaltung. Von der Tafel her erwiderte freudiges Geklapper mit Geschirr, Besteck und Gläsern die Ankündigung, darüber schwoll ein vielstimmiges »Ah!« zu einem dissonanten Akkord.
    Der Wirt, anstatt zu den Gästen zu eilen und sich um das Vorlegen der Speisen zu kümmern, lief an das Klavier neben dem Eingange und schlug auf dem allerliebst verstimmten Instrumente ein Liedlein an; wer nur einen Funken deutsche Musikalität in sich ruhen hatte, konnte darin das altwürttembergische »Muß i denn, muß i denn zum Städtele hinaus« erkennen. Indes vermochte diese Einlage kaum die nun aufgetragene Speisenfolge zu komplimentieren; ihrer Vornehmheit nach entstammte sie gewiß nicht einem »Städtele«. Denn der am Ziele angelangte »Turm« rief die schönsten Verheißungen einher:
    »Kraftbrühe mit Kaiser-Eiern – consommé aux œufs

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