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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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Zitronen«, hinter welchen sich nun gewöhnliche grüne Bohnen verbargen; und es entpuppten sich die jungen Hühner, »gebraten mit englischer Eiersauce«, als eine Schüssel simpler, scharf angebratener Zwiebeln. Ich verstand: Ein ehrgeiziger Koch beugte sich im stillen den Wünschen dieser wenig verwöhnten Zungen, doch fiel es ihm deshalb nicht ein, auf sein erlesenes Küchenfranzösisch zu verzichten. Dieses ließ er wie
Konfetti über das Geschmatze der Männer und das Geklimper des Wirtes regnen.
    Wie ich dies alles schildere, mag man an ein stundenlanges Gelage denken, aber man täusche sich nicht. Ein Schwung Westmänner wird in Windeseile mit einem Ochsen fertig, so auch Mister Washburn und seine Gefährten. Als ich mich endlich der Physiognomie der eiligen Esser zuwenden wollte, paradierte der Koch letztmalig auf. Wehmutsvoll rief er die Dessertfolge auf:
    »Englischer Kastanienpudding! – Ananassülze mit gemischtem Obst! – Butterteigringchen mit Mandeln! – Rahmgefrorenes mit Madeirawein!«
    Solchermaßen verlockt, ließ »Mister Faffle« seine Tasten im Stich. Er nahm wieder seinen Platz hinter der Theke ein und verkündete seinerseits:
    »Englisches Lager! – Schottischer Whisky! – Badisches Verreißerle!« 41
    War sein Piano zuvor nur verstimmt gewesen, war es jetzt verstummt. Das war auch notwendig, denn aus der Menge der feudal Gesättigten taten sich nun die mitteilsamsten Sänger und Redner hervor. Überhaupt schien erst jetzt aufzufallen, daß sich die Tafel gebogen hatte, indes mein Tischlein leer geblieben war. Mir selbst machte das nichts aus. Nach der Eisenbahnfahrt war mir nicht nach üppigem Essen zumute; schon seit Tagen bereitete sich der Westmann in mir auf die bevorstehenden Entbehrungen vor, indem ich öfter fastete.
    Der Koch freilich nahm mich nun doch in meiner Ecke wahr. Er winkte höflich Zeichen, eilte nochmals in seine Küche, und hast du nicht gesehen, kehrte er zurück, einen hübsch dekorierten Porzellanteller in der einen, ein Glas Weißwein in der anderen Hand. Nun gedachte er also auch mich zu beglücken – mich, der ich in ihm schon die dritte denkwürdige Begegnung an diesem Tage haben sollte.

    »Bitte sehr, eine Auswahl der feinsten Stücke vom Rind«, wartete er mir auf. »Gekocht, gesotten, gebraten, gegrillt und fritiert – wünsche wohl zu speisen, Mister Hayes!«
    Schon wieder dieser Name?
    Da fiel mir ein, daß der kleine fleißige Kerl von meinem Gespräch mit Faffle so wenig mitbekommen hatte wie von dem Erlebnis an der Fensterscheibe. Ich beeilte mich, ihn aufzuklären, und nannte ihm zusätzlich meinen Reisenamen.
    »Bin i a Bayer, oder bin i a Preiß! Ihr seid nicht Mister Hayes, obwohl Ihr Euch so tragt und gebt wie dieser! Mein Herr, ich bitte vielmals um Verzeihung. Es liegt natürlich wieder an mir, an meinen alten, dummen, kranken Augen; Verzeihung, Verzeihung, Verzeihung!«
    Ich nickte zu dieser umständlichen Entschuldigung und mußte denken, was hier zusammenkam: ein Koch, der exquisit vorlegte und wie Pfäffle gern in seinen Heimatdialekt verfiel; ein noch so junger Mensch, der dabei das altmodische Ihr und Euch verschwenderisch gebrauchte, anstatt sich auf deutsch des modernen, schlichteren Sie zu befleißigen. Beides waren deutliche Hinweise auf seine, wie ich verstand, frühere Tätigkeit am Hofe des bayerischen Königs. Ferner die Eigenheit, Fehler anderer ganz auf sich zu beziehen, genau wie Höflinge es taten, tun mußten, weil das Zeremoniell sie dazu zwang. Selbstverständlich war jener nicht schuld an der Verwechslung, zudem hatte er keine alten, sondern vielmehr die gesündesten, glänzendsten und auch freundlichsten Augen.
    So entgegnete ich ihm, seine Marotte mit dem Ihr aufnehmend:
    »Wie ich höre, kommt Ihr aus Bayern, wo Ihr zuletzt in höchsten Diensten standet. Darf ich Euren Namen erfahren?«
    O wie riß und zog es da in dem Männchen, wie wuchs es durch diese Frage empor zum Riesen, der da ausrief:
    »Johann Rottenhöfer!«
    »Angenehm, Herr Rottenhöfer«, gab ich zurück. »Ich habe vorhin – – – «

    »Halten zu Gnaden, ich heiße nicht Rottenhöfer.«
    »Aber diesen Namen habt Ihr doch eben genannt?«
    »Schon, aber deshalb braucht es nicht mein eigener zu sein. Wißt Ihr, ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, der Vorstellung meiner Person jeweils den Namen meines wichtigsten Ausbilders voranzustellen. Dies geschieht allein aus Dankbarkeit. Ohne ihn wäre ich nichts, nicht vorhanden, nicht in der Welt. Mein

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