Hadschi Halef Omar im Wilden Westen
seine Begleitung zu dem Festmahl einlud. Er versteht nicht, daß der Geburtstag Seiner Majestät unbedingt gefeiert werden muß, egal wo und unter welchen Verhältnissen. Zu diesem Zwecke hat man mich gut ausstaffiert.«
Majestäten der Wildnis? Dieser Ausdruck gefiel mir. Dennoch hob ich warnend den Zeigefinger, daß Hirtreiter leiser sprechen
solle, obwohl Washburns lärmende Gesellschaft für genug Geräusch sorgte.
»Bitte, mit gut ausstaffiert meint Ihr wohl Euren Geldvorrat«, sagte ich. »Behaltet diesen noch besser unter Verschluß als Euren Auftrag, vor allem hütet Eure Zunge! Ihr könntet sonst noch früher in die Verlegenheit kommen, auf Menschen anstatt auf Hirsche schießen zu müssen. Warum wendet Ihr Euch nicht an Mister Washburn, er will doch in den Westen?«
»O nein! Wollte ich das tun, müßte ich den ganzen Tag auf einem seiner Wagen sitzen und Essen zubereiten. Er sieht in mir nur den Koch, wenn auch einen besonderen; er und die Seinen loben mich unentwegt.«
»Ja«, lächelte ich. »Sie loben den Ersten Mundkoch Seiner Majestät!«
»Als solcher bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als auf eigene Faust aufzubrechen.«
»Dann seid Ihr schon so gut wie tot.« »Und ich sterbe in Erfüllung meiner Königlich Bayerischen Pflichten.«
»Unsinn! Beraubt werdet Ihr sterben, vielleicht sogar skalpiert, gemartert.«
»O nein, denn eine solche Schandtat würde man zu bereuen haben!«
»Denkt Ihr, die bayerische Gerechtigkeit reicht bis in den Wilden Westen?«
»Nein, aber in meinem Gepäck befinden sich Gewürze, die hierzulande nirgends feil sind. Wer außer mir wüßte sie zu handhaben – Banditen, Indianer? Nur lebend ist ein Erster Mundkoch ein Wert an sich.«
»Bitte«, wurde ich ernst wie nie. »Nehmt Vernunft an! Euer König wird Euch nie wiedersehen.«
»Er wird, wie ich hoffe, mich in guter Erinnerung behalten.«
»Und Eure Frau, Eure Kinder?«
»Ich stehe ganz allein in der Welt.«
»Dann eben Eure Eltern und Großeltern?«
»Verzeihung, aber ich stehe wirklich in jeder Hinsicht allein.«
»So kapituliere ich. Aber bedenkt Euch noch einmal. Die Hitze Eurer Hofküche ist nicht zu vergleichen mit der Hitze eines Kampfes, wie sie Euch dort draußen zu Dutzenden erwarten.«
»Kämpfe habe ich in Cheyenne bereits gesehen, erst neulich, in dieser Stube.«
»Ich habe davon gehört«, sagte ich. »Ein stilles Mädchen und ein kleiner Mexikaner, nicht wahr?«
»Auf keinen Fall ein Mexikaner! Das glaubt nur Herr Pfäffle, weil er ein Schwabe ist und kaum je etwas von der Welt gesehen hat. Wir Bayern aber haben keine Zipfelmützen, sondern Zwiebeldächer auf unseren Kirchtürmen, und unser König liebt das Licht aus dem Osten – mein Herr, ich bin mir sicher, dieser Fremde war ein Orientale; bin i a Bayer, oder bin i a Preiß!«
Ich bemerkte nichts zu dieser Einschätzung. Zu den schon recht vielen Gedanken in meinem Kopfe gesellte sich gerade ein neuer, wenn auch sehr ungefährer. Ich versuchte es, aber es war mir unmöglich, ihn zu greifen, vielleicht weil er mir gegenwärtig noch zuviel Vorstellungskraft abforderte.
Aber es war ja auch alles gesagt. Gedämpft, vielleicht auch nur erschöpft von der vielen Arbeit, räumte Hirtreiter das Geschirr auf ein Tablett, wohl selbst nicht ahnend, weshalb er sich gerade mir, einem Fremden, anvertraut hatte. Was konnte ihm ein namenloser Gast sein, dem er so vieles über sich, dieser hingegen ihm nichts über sich selbst erzählt hatte? Woher dieses Zutrauen – oder war es nur Leichtsinnigkeit?
Während der Konversation hatte ich kaum einen Bissen zu mir genommen, den Wein ganz unberührt gelassen. Das tat mir leid, um des Essens und des Mannes willen. Daß er so genau wußte, was er wollte, beeindruckte mich; ähnlich strebsam und voller Flausen war ich selbst gewesen, als es dereinst mich zum ersten Male in den Westen gezogen hatte. Aber es gab keinen Zweifel, wohin der Bayer am ehesten gehörte, und das hatte ich ihm sagen müssen.
Mit einigen Verbeugungen und im übrigen rückwärts gehend, wie es bei Hofe wohl üblich war, trat der wundersame Koch den Rückzug in Ewald Pfäffles Küche an, aus welcher er sich noch an diesem Abend zu verabschieden gedachte.
An der Tafel der Washburn-Leute war auf das fröhliche Schlemmen ein fröhliches Zechen gefolgt. Runde um Runde trug der Wirt auf, sein Koch bezahlte ja, und mit jeder Lage wurden die Männer lauter, vergnügter. Ich habe nichts gegen Allotria und war als Student gewiß
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