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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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da sagt, geht zu weit. Wenn es überhaupt eine Realität gibt, so lebt Old Shatterhand in ihr. Wenn Ihr weiter so von ihm sprecht, wird es nicht lange dauern, und Ihr verkündet uns, daß selbst Winnetou nie geboren wurde!«
    Schallendes, zustimmendes Gelächter löste die starr gewordenen Mienen.
    Aber als sich alles wieder beruhigt hatte, prostete Hayes der Runde freundlichst zu. »Von dem Apachen später. Verbleiben wir bei Old Shatterhand. Ihr sagt, Mister Washburn, ihr alle wüßtet über ihn Bescheid. Doch was wißt ihr wirklich? War nur ein einziger von euch bei nur einem seiner sogenannten Abenteuer dabei? Sprach jemand von euch mit nur einem der zahlreichen Männer, die sich angeblich in Old Shatterhands Dunstkreis befinden? Wo stecken sie denn alle, Sam Hawkens, Dick Stone und Will Parker, das sogenannte Kleeblatt, sodann Dick Hammerdull und Pitt Holbers, der Hobble Frank und die Tante Droll, der dicke Jemmy und der lange Davy? Seit mehr als zwanzig Jahren durchstreife ich die Wildnis, und ja, immer wieder habe ich diese Namen gehört, und ich habe von ihnen gelesen. Doch diese Herrschaften auch nur ein einziges Mal leibhaftig anzutreffen, das war und ist mir nicht vergönnt. Seltsam, nicht? Desgleichen Old Shatterhand. Was rühmt man seinen Jagdhieb, doch wer hätte je diese Schmetterhand gedrückt? Ja, da werdet ihr ganz leise, Gentlemen – so ist das, wenn ein echter Westmann zu euch spricht! Mag sein, daß selbst meine Kleidung heute abend für den Trapper, als der ich doch lange Jahre meinen Unterhalt verdiente, zu fein ist. Mag auch sein, daß mein Name in Montana, Indiana, Colorado oder Neu-Mexiko unbekannt ist. Aber ich lebe, es gibt mich! Erlaubt darum, daß ich bis zum physischen Erscheinen jenes Phantoms mit Namen Old Shatterhand zweifle, ob ein solcher Mensch überhaupt jemals gelebt hat. Ich sage: Dieser
Mythos ist ein Märchen, eine Erfindung, eine Illusion – ich werde ihn zerstören!«
    So sprach Milton Hayes. Obgleich mir seine Worte kaum gefallen konnten, mußte ich zugeben, daß er seine Sache nicht übel anfing. Wie man Zweifel säte und Stimmung machte, das wußte er. Mehr noch, er ließ sich nicht aufhalten.
    »Gentlemen«, fing er wieder an. »Denkt nur einmal an jene beiden Gegenstände, welche den Namen Old Shatterhand so bekannt gemacht haben, daß man drüben, im alten Europa, überall von ihm spricht. Was man über ihn liest, sind spannende Geschichten, das gebe ich zu. Aber sind sie auch wahr? Ein jeder von uns kennt Old Shatterhands Gewehre, den Bärentöter und den Henrystutzen. Nun, ich werde darlegen, daß diese Waffen die reinste Erfindung sind, wie auch ihr angeblicher Eigentümer. Macht es euch nur wieder bequem, Gentlemen, ich bin erst am Anfang.«
    Somit hatte Hayes wieder Oberwasser, alles hing an seinen Lippen. Zwar schien man Old Shatterhand hier aufrichtig zu lieben, aber dennoch konnte niemand der Versuchung widerstehen, seiner Entzauberung beizuwohnen. Es läßt sich denken, daß gerade mich dieser umgekehrte Hokuspokus interessierte. Die Situation war bizarr: Im Wirtshause eines Außenpostens im Wilden Westen stand Milton Hayes, ein Deutscher und Sachse wie ich, ein mir in Gesicht und Statur unglaublich ähnelnder Mann. Umringt war er von Westmännern und beseelt von dem Gedanken, ihnen weiszumachen, niemand anderes als ich, der ich unerkannt ein paar Tische weiter saß, sei eine erfundene Figur, noch nicht einmal meine bekannte Ausrüstung solle es gegeben haben. Warum ich selbst jetzt noch nicht aufstand, mich endlich vorstellte und den »Irrtum« kurzerhand aufklärte? Ich hätte nur die Narbe von jener Stichwunde an meinem Halse vorweisen müssen, die von dem erbitterten Kampfe damals mit Winnetou rührte, weil wir uns ursprünglich ja als Feinde begegnet waren.
    Eine weitere Narbe aus diesen Tagen befindet sich bekanntlich
an meinem rechten Handgelenk beziehungsweise Vorderarm. Auch sie wäre ein sicherer Beweis für meine Existenz gewesen, denn aus dieser Wunde war das Blut geflossen, welches den Häuptling und mich als Blutsbrüder verband. Jeder wußte, daß es wahr war, denn ich hatte es so geschrieben.
    Nicht zuletzt hätte ich hinauf in mein Zimmer gehen können und das frech in Abrede gestellte »Schießzeug« einfach herunterholen, zudem die ganze Blase nach draußen, auf die Straße, bitten können, um dort ein paar Wunderschüsse zu tun.
    Allein – ich tat es nicht. Ich wollte ganz einfach nicht. Ich dachte nicht daran, mich vor Hayes, diesem

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