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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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unverschämten Doppelgänger, zu rechtfertigen. Es geschieht bestimmt nicht allzu oft, daß ein Mensch sich erdreistet, einen anderen schlichtweg für erfunden zu halten, während er ihm doch zum Verwechseln ähnelt. Wie Hayes dieses Kunststück anfangen wollte, welche Spitzfündigkeiten er zu bemühen gedachte, offen gestanden, das forderte mich heraus. Er wollte mich widerlegen, mit Haut und Haar, und deshalb tat ich – nichts. Gelassen blieb ich sitzen und wartete ab. Mochte dieser Großsprecher nur den Beweis führen, daß es mich nie gegeben habe, daß ich gar nicht vorhanden sei; ich war bereit, mir seine »Beweise« anzuhören; ich, der vorgeblich nie gewesene Old Shatterhand!
    Wie es so ist, schätzen die Menschen es nicht besonders, wenn man ihnen ihre Legenden rauben will. So mancher Wissenschaftler, vom Altertume bis in die Neuzeit, mag gestöhnt haben, als seine jeweils neuen Erkenntnisse auf Widerstand stießen. Für den Astronomen beispielsweise ist der Mond nur eine zufällige Krateransammlung. Aber steht deshalb der Erdtrabant bei Liebenden weniger hoch im Kurs? Jedes Bekenntnis zur Macht der Sterne ist Aberglaube, gewiß. Doch warum nicht daran festhalten, daß es dennoch etwas so schwer Faßbares und nur allzuleicht Spürbares wie Herzeleid und Liebesglück gibt, zwei allzumenschliche, allzu tiefe und, wie jeder bestätigen wird, allzu reale Empfindungen?
    Wie erfreut war ich daher, als sich nun doch Stimmen erhoben und Hayes entgegenhielten: »Hirngespinste, Old Shatterhand
lebt! Er ist so echt wie meine Zähne!« Oder: »Sir, unterlaßt diese Albernheiten, warum sich am größten aller Westmänner reiben?«
    Ja, warum?
    Aber Hayes hatte nun einmal sein Spiel begonnen, und er wollte es zu Ende führen. Ich glaubte absehen zu können, was seine Absicht war: Old Shatterhand, den gewiß größten Befürworter der Idee eines Nationalparks, in Mißkredit zu bringen. Liebte nämlich Hayes sein Kupfererz und damit Geld, so hatte ich mich edleren Zielen wie dem Fortbestande einer der schönsten Landschaften der Erde verschrieben. Gelang es ihm, mich als Schimäre hinzustellen, mußte auch alles sonstige, was je in meinem guten Westnamen gesagt, erzählt und geschrieben worden war, als Lüge erscheinen. Das durfte ich nicht zulassen.
    »Mesch’schurs, bitte! Hört mich weiter an!«
    Hayes war auf einen Stuhl gestiegen, um für alle im Boarding House weithin sichtbar zu sein. Sein Eigentümer, Mister Faffle, blickte so fasziniert auf den ungeliebten Gast, daß er das Servieren vergaß, und selbst der Mundkoch, jener Herr Hirtreiter, kam aus der Küche heraus, verschränkte die Arme und lauschte wie gebannt.
    »Mesch’schurs«, rief Hayes noch einmal. »Gestattet, daß ich als erstes über das Wundergewehr des Wundermannes doziere, den sogenannten Henrystutzen. Welche Sorte Gewehr, frage ich, soll das sein, ein Repetierer, der bis zu fünfundzwanzig Schuß ohne Nachladen feuern kann? Zunächst ließe sich einwenden, daß jede Winchester beinahe ganz dasselbe leistet. Überhaupt, diese beiden Namen – jener Mister Henry, auf den der so mysteriöse, unsichtbare Old Shatterhand sich beruft, war noch gar kein selbständiger Büchsenmacher, als der ehrenwerte Oliver Winchester ihn zum Leiter seiner Waffenmanufaktur erkor. Ich weiß das genau, denn ich bin von uns allen hier der Älteste. So konstruierte Mister Henry bereits vor Jahren, 1860 und damit noch vor dem Ausbruch des Sezessionskrieges 43 , ein Gewehr, dessen Munitionsvorrat die
unglaubliche Zahl von fünfzehn Patronen umfaßte. Aus dieser Waffe wurde die Winchester. Old Shatterhand aber, wird uns weisgemacht, will ein ganz ähnliches Gewehr besitzen, eben seinen Henrystutzen. Dieser soll beinahe die doppelte Anzahl Patronen aufnehmen, aber nicht in einem Magazin, nein, in einer Trommel. Gentlemen – was für ein Riesending müßte das sein, Kaliber .44 vorausgesetzt? Und um einen Stutzen soll es sich auch noch handeln, also um ein stark verkürztes, wenn nicht gar abgesägtes Gewehr! Liegt es daran, daß Old Shatterhand, wie gesagt wird, ein Deutscher sein soll? Übersetzt man rifle nicht mit Flinte, sondern unrichtigerweise mit Stutzen? Und so einer will ein Kenner, ein Westmann sein; einer, der obendrein sämtliche Sprachen und Dialekte aller Indianerstämme Nordamerikas beherrscht? Da haben wir schon die erste Lüge enttarnt, und beileibe nicht die letzte. Ein solches Monstrum von Gewehr, und dann nur ein Henrystutzen – wer hat dafür eine

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