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Hämatom

Hämatom

Titel: Hämatom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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meiner Hand wackelte so sehr, dass ich
ein paar frische Kaffeeflecken auf dem schmutzigen Tischchen produzierte. Ich
ignorierte es, konzentrierte mich auf die Zimmertür, aus der meine Putze gleich
herauskommen musste.
    Sie ließ mich nicht im Stich. Mit Eimer und Schrubber in
der Hand tauchte sie wieder auf. Wäre sie nicht so hektisch, würde sie sexy
wirken. Selbst durch die formlose Schürze ahnte ich ihre schmale Figur, die
beachtenswerte Oberweite, die schwingenden Bewegungen ihres Beckens. Möglicherweise
war sie unter der Putzfrauenverkleidung und ihrer aufgeschminkten Maske
attraktiver, als der erste Blick vermuten ließ.
    Dieser Meinung war wohl auch ein großer, gut gebauter Typ
in einem Blaumann, der gerade mit einem schweren Werkzeugkoffer in der Hand den
Krankenhausflur entlangkam.
    Er sagte etwas zu ihr und stellte seine Werkzeugtasche
ab. Offensichtlich wollte er sich unterhalten. Er stützte die Hand neben ihren
Kopf gegen die Wand. Er baggerte, das konnte ich nicht übersehen, auch wenn sie
zu weit entfernt waren, als dass ich hätte hören können, worüber sie sprachen.

    Doch meine Putzfrau hatte keine Lust auf einen Flurflirt:
Sie griff nach dem Reinigungswagen, um ihn ein Zimmer weiter zu schieben. Der
Handwerker versperrte ihr kurz den Weg, es dauerte noch einen Augenblick, bis
sie ihn loswurde und er mit seiner Werkzeugtasche in einem der Zimmer
verschwand.
    Ziemlich aufdringlich, ihr Verehrer.
    Im präzisen Fünfminutentakt arbeitete sie weiter. Ich sah
ein paarmal auf die Uhr und war verblüfft, wie genau sie ihre Zeit einhielt.
    Zum Schluss putzte sie den Flurboden. Als sie bei mir ankam,
hob ich erst die Füße hoch, dann meinen Becher und die Zeitungen, damit sie
meine Kaffeeflecken wegwischen konnte.
    J. Degenhardt –
Abteilungsleitung Reinigung las ich auf dem Schild an der Brusttasche ihrer
Schürze.

    Abteilungsleitung? Das hatte ich der Arschgeweihträgerin,
ehrlich gesagt, nicht zugetraut. Wieder musterte ich ihr zu stark geschminktes
Gesicht. Wieder sah sie mich nicht an. Ich war mir nicht mal sicher, ob sie
mich bemerkt hatte.

    Â 

7.
    Der Flur kam mir unendlich lang vor. Es war totenstill und
stockdunkel. Vorsichtig tasteten sich meine nackten Füße auf dem glatten,
kühlen PVC vorwärts. Ich hörte mein eigenes Herz mit dumpfen Anschlägen pumpen
und das leise Tappen meiner Schritte.
    Und ich hörte fremde Schritte. Schleichend. Irgendwo in
der Finsternis hinter mir.
    Ich spürte Panik in mir aufsteigen.
    Was jetzt?
    Rennen? Oder den Rücken an die Wand pressen und hoffen,
dass mein Verfolger in der Dunkelheit einfach an mir vorbeiging?
    Die Schritte kamen näher.
    Automatisch wurde ich schneller, tastete mich mit den
Händen an der Wand entlang, versuchte, meine Füße so leise wie möglich
aufzusetzen.
    Der andere beschleunigte ebenfalls. Seine Schritte wurden
dabei lauter, er trug Schuhe. Er musste schon dicht hinter mir sein, ich
bildete mir ein, seinen leisen Atem zu hören.
    Scheiße!
    Ich begann zu laufen, eine Hand an der Wand, die andere
in die Dunkelheit nach vorn gestreckt, um Hindernisse rechtzeitig zu bemerken.
    Mein Verfolger keuchte.
    Ich versuchte nicht mehr, leise zu sein, rannte, so
schnell ich konnte. Der Flur musste doch ein Ende haben!
    Da – die Tür!
    Ich konnte nicht schnell genug bremsen, prallte erst mit
dem Arm, dann mit der Schulter dagegen. Suchte den Griff, fand ihn, rüttelte
daran.
    Verschlossen!
    Die Schritte waren direkt hinter mir, verstummten jetzt.
    Ich schrie!
    Pitschnass vom Schweiß fuhr ich hoch. Schrie immer noch.
    Â»Mein Herz!«, japste Oma Busch im Nebenbett.
    Ãœber der Tür flammte eine rote Leuchte auf. Meine dicke
Nachbarin hatte nach der Schwester geklingelt.
    Daraufhin erhielt nicht nur Oma Busch ein Beruhigungsmittel,
sondern auch ich.
    Das Medikament sorgte für ein paar Stunden Schlaf ohne
Albträume, bis der Blasenschwache im Nachbarzimmer lautstark drohte, die Klinik
zu verklagen, wenn ihm nicht sofort jemand vom Nachttopf half.
    Ich starrte an die Zimmerdecke. Die Beleuchtung der
Notaufnahme im Hof, zuckende Blaulichter und die Wolken, die sich am fahlen
Wintermond vorbeischoben, ließen immer wieder neue Schatten über die Wände
huschen. Ich zog mir die Decke bis ans Kinn, beobachtete die durchs Zimmer
flitzenden Lichter und überlegte, ob ich wirklich wach war oder mitten im
nächsten wirren Traum.
    Als

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