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Hämatom

Hämatom

Titel: Hämatom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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dem Arzt einen riesigen Metallkoffer
auf das PVC.
    Aufklappen, Kabel anschießen, anschalten.
    Sie hielt ihm die beiden blitzblanken Metallelektroden
hin.
    Er riss das Hemd der Putzfrau auf. Ein schwarzer
Spitzen-BH kam zum Vorschein.
    Mit einem Griff hatte der Weihnachtsmann den BH von der
schönen, blassen, verletzlichen Brust geschoben.
    Â»Saft drauf?«
    Gundel nickte.
    Â»Okay. Zurück!«
    Die Schwester und der Pfleger nahmen Abstand und der Arzt
presste das kalte Metall auf Jannas weiße Haut. Der Stromstoß riss sie in die
Höhe, mit einem dumpfen Laut prallte sie wieder auf den Boden.
    Puls?
    Der Weihnachtsmann zögerte eine Sekunde.
    Â»Ich glaube, wir haben sie«, nickte er dann. »Zugang legen!
Ich bringe sie in einen OP.«
    Die Ärztin riss ein mobiles Telefon aus dem Kittel und
stürzte in Richtung Schwesternzimmer davon. Gundel hatte bereits eine Nadel aus
dem Notfallkoffer gezogen und mit wenigen Griffen einen venösen Zugang gelegt,
wie auch ich ihn für die Kochsalzinfusionen bekommen hatte. Zwei Pfleger setzten
eine Trage neben der bewusstlosen Putzfrau auf dem Boden ab. Der Weihnachtsmann
griff selbst ihre Füße, um sie auf die Trage zu heben. Konzentriert und besorgt
hingen seine dunklen, tief unter buschigen Brauen verborgenen Augen an Jannas
bleichem Gesicht.
    Die Pfleger stemmten die Trage schaukelnd in die Luft und
der Arzt eilte ihnen mit fliegendem Kittel hinterher.
    Sekundenlang standen Gundel und ich nebeneinander und
sahen ihnen nach. Dann lag der mintgrüne Flur plötzlich lang und leer vor uns.
    Erst das Klicken, mit dem die selbstöffnende Tür zufiel,
riss Gundel aus ihrer Starre.
    Bis dahin hatte niemand meine Anwesenheit überhaupt
bemerkt. Doch jetzt nahm mich die kleine Krankenschwester wahr. Sie knipste ihr
Lächeln an und griff mich am Arm. »Kommen Sie, Frau Ziegler, es ist alles in Ordnung.«
    Ich blinzelte, als wäre ich soeben aus einem Traum erwacht.
    Gar nichts war in Ordnung! Sie brachten Janna in einen
OP!
    Verständnislos starrte ich Gundel an. Es dauerte eine Sekunde,
bis ich begriff, dass ihre Fröhlichkeit eine professionelle Art von
Fröhlichkeit war. Wahrscheinlich konnte sie auch noch zwischen den Trümmern
eines abgestürzten Airbus lächelnd behaupten, dass alles in Ordnung sei. Oder
nach einer Chemotherapie, die ihr die Haare ausfallen ließ.
    Â»Natürlich«, nickte ich. »Alles in Ordnung.«
    Sie hörte auf zu lächeln.
    Â»Ich geb ’n Kaffee aus«, meinte sie müde.
    Â»Wer war das?«, fragte ich, als sie mir im Schwesternzimmer
einen Stuhl hinschob.
    Â»Janna?«
    Â»Nein, der Arzt.«
    Â»Gott.«
    Â»Wer?«
    Â»Professor Doktor med. Gotthard von Lauenstein, unser
aller Chef. Selbst wenn er nicht so hieße, wäre er vom Allmächtigen nicht weit
entfernt.«
    Ich runzelte die Stirn und Gundel sah mir wohl an, dass
mich die Anbetung von Turnschuhträgern aus Prinzip misstrauisch machte.
    Â»Er ist ein Genie. Was für ein Glück, dass er gerade da
war. Er ist Herzspezialist, Dozent an der Uni, hat eine eigene OP-Technik
entwickelt und operiert seit mehr als dreißig Jahren. Außerdem …«, sie nippte
an ihrem Becher, »… außerdem ist er in Ordnung. Ich meine, für ’nen Arzt.
Andere können nicht mal ’ne Infusion legen, wollen aber rumkommandieren, nur
weil sie einen Kittel tragen.« Gundel hielt inne und sah mich kurz an.
Vermutlich erinnerte sie sich, dass ich eine Patientin war und sie nicht mit
mir über solche Dinge reden sollte.
    Â»Hab nix gehört«, winkte ich ab.
    Sie stürzte ihren Kaffee hinunter.
    Â»Ich brauch ’ne Kippe.« Abrupt stand sie auf und ging
raus.
    Ich stellte meine leere Tasse auf den Schreibtisch.

    Â 
    Meine Knie zitterten, als ich mich wieder auf
meinen Platz zwischen Kaffeeautomat und Weihnachtsbaum hockte.
    Was war da passiert? Herzstillstand hatte der Arzt
gesagt. Wieso Herzstillstand? Janna war doch nicht viel älter als ich. Wie
konnte ihr Herz da einfach aufhören zu schlagen?
    War sie krank? Sie hatte krank ausgesehen: das blasse Gesicht,
die bebenden Hände, der kalte Schweiß auf ihrer Stirn. Ich hatte ja auch
geglaubt, sie wäre auf Drogen, oder womöglich auf Entzug?! Wahrscheinlich sah
ich im Augenblick nicht anders aus.
    Ein Schauer stellte mir die Nackenhaare auf.
    War Janna drogenabhängig? Hatte deshalb ihr Herz versagt?
    Was

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