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Hämatom

Hämatom

Titel: Hämatom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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Gesicht tomatenrot. Weil der Arzt
offenbar befürchtete, dass die Russin zu einer Herzinfarktpatientin auf ihrer
eigenen Station werden könnte, schob er sie schließlich aus dem
Schwesternzimmer und winkte den Pflegeschüler mit dem Igellook samt Akten
hinterher, damit die Russin die Visite beginnen konnte.
    Ich war mit meinem Becher in der Hand bis vor das
Schwesternzimmer geschlendert und dort stehen geblieben. Wenn ich dem
Weihnachtsmann schon mal persönlich begegnete, wollte ich ihn mir genauer
ansehen.
    Der Arzt füllte zwei Tassen mit Kaffee, hielt die eine Gundel
hin und plauderte mit der Krankenschwester; deren Blutdruck offensichtlich
stabil war.
    Â»Wir brauchen Stethoskope für die neuen AiPler. Bestellen
Sie am besten gleich zehn.«
    Â»Gold?« Gundel deutete auf das glänzende Gerät, das auf
dem Strickpulli des Mannes baumelte.
    Â»Am falschen Ende sparen bringt nichts«, fand der Arzt
und Gundel nickte.
    In dem Moment bemerkte ich endlich die blonde Putzfrau,
die ihren Reinigungswagen vor einem Lagerraum geparkt hatte und Handtücher und
Klopapier auflud.
    Wenn ich was über sie herausfinden wollte, musste ich sie
ansprechen, kombinierte ich messerscharf und schlenderte zu ihrem Wagen
hinüber. Interessiert las ich die verschiedenen Namen der Reinigungsmittel.
    Hinter mir klackte die Tür und sie trat mit einem Wischer
in der Hand aus dem Raum.
    Â»Hi!«, lächelte ich. »Ich bin Lila aus der 443. Kann ich
zwei Rollen Klopapier haben?«
    Â»Klar.« Sie versuchte zurückzulächeln.
    Sie war größer als ich und etwas fülliger. Schweiß perlte
auf ihrer Stirn und unter ihren Augen und ließ ihren Lidschatten verschwimmen.
Ihre Hand zitterte genauso sehr wie meine eigene, als sie mir das
Toilettenpapier hinhielt. Ihre Augen bemühten sich, mich zu fixieren, fanden
aber keinen Halt.
    Irritiert nahm ich die Klorolle und berührte dabei ihre
Finger. Sie waren eiskalt.
    Sie wischte sich über die Oberlippe, auf der ebenfalls Tröpfchen
glitzerten. Ich hatte noch mehr sagen wollen, ließ es aber bleiben.
    War die auf Drogen? Verwirrt sah ich ihr nach.
    Sie schob ihren Wagen aus dem Weg, weil die Ärztin und
der Pflegeschüler mit dem Aktenwagen aus einem Zimmer kamen, und blieb ein paar
Sekunden länger als nötig stehen. Sie stützte sich an ihrem Wagen ab. Mir fiel
auf, dass sich ihr Brustkorb krampfartig hob und senkte, als sie einatmete.
    Â»Du siehst aber nicht gut aus, Janna«, bemerkte jetzt
auch der Azubi mit der Igelfrisur. Er zögerte, während die Ärztin schon im
nächsten Zimmer verschwand.
    In dem Augenblick knickten ihre Ellenbogen ein. Sie
rutschte vom Wagen ab und kippte zur Seite, noch bevor der Pflegeschüler bei
ihr war und ihren Arm greifen konnte.
    Â»Kacke!«, schrie der Junge erschrocken. »Dr. Avilova!«
    Ich ging neben der Bewusstlosen in die Knie, zerrte ihre
grüne Putzfrauenschürze auf.
    Â»Herrje!«, hörte ich den russischen Akzent der Ärztin,
noch bevor ich sie sah. Sie stieß mich zur Seite und tastete am Hals der
Bewusstlosen nach dem Puls.
    Â»Herrje, herrje«, wiederholte sie hilflos. »Professor!
Hol die Professor, Sebastian!«
    Der Igel flitzte los, doch der Weihnachtsmann war bereits
aufmerksam geworden. Mit ein paar langen Sätzen war er bei uns, griff der
Blonden ebenfalls an den Hals. »Kein Puls. Herzstillstand! Könnte ein
Myokardinfarkt sein, vielleicht Kammerflimmern.«
    Ich zuckte zusammen, als er ohne Vorwarnung ausholte und
der leblosen Frau seine Faust auf den Brustkorb ballerte. Der Schlag klang
dumpf und ich bildete mir ein, ein Knacken zu hören.
    Â»Gundel! Notfallkoffer, Defi!«, brüllte der Weihnachtsmann
über den Flur, während er wieder einen Puls suchte. »Verdammt!«
    Ich stand, mit dem Rücken an die Wand gequetscht, hinter
dem Mediziner und konnte das bleiche Gesicht der jungen Putzfrau erkennen, als
ihr Kopf nach hinten ruckte, weil der Arzt noch einmal zugeschlagen hatte.
    Ich hielt den Atem an.
    Puls?
    Nein.
    Griff an Stirn und Kinn.
    Der Weihnachtsmann beugte sich über die Bewusstlose.
    Beatmen – Mund zu Nase.
    Herzdruckmassage.
    Ich wagte nicht, mich zu rühren.
    Jannas lebloser, schmaler Körper ruckte bei jedem Stoß,
mit dem sich der große, bärtige Mann auf ihren Brustkorb stützte, um ihr Blut
mit seinem Gewicht durch ihren Körper zu pumpen.
    Gundel wuchtete neben

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