Hämatom
extravaganten
Latschen, öffnete die Zimmertür. Ohne Zeit zu verlieren, begann sie, den Boden
zu wischen. Ich musterte sie. Am Kinn der Putzfrau konnte ich eine deutliche
Make-up-Kante erkennen und ihre Frisur ähnelte heute einem auberginefarbenen
Wischmopp. Sie sah mitgenommen aus.
»Guten Morgen«, sprach ich sie an.
Sie sah hoch, als hätte sie mich erst jetzt bemerkt.
»Gute Morgen«, murmelte sie und wischte weiter.
»Ich war dabei«, sagte ich.
Sie hörte auf zu putzen, klammerte sich an den Wischer.
»Als Ihre Kollegin zusammengebrochen ist«, fuhr ich fort,
»da war ich dabei. Sie ist gestorben, nicht wahr?«
Svetlana verwischte mit dem Handrücken ihre Schminke: »Sie
hat kleine Tochter.«
»Mochten Sie sie?«
»O ja. Janna war so freundliche Mensch. Wieso ihre Herz
versagt? Sie war nur neunundzwanzig, nicht neunundachtzig! Sie war immer
gesund. Und fröhlich. Und sie hat immer alle geholfen.« Svetlana holte ein
Taschentuch aus ihrer Schürze und schnäuzte sich geräuschvoll die Nase.
Mit neunundzwanzig an Herzversagen zu sterben, war mir ja
ebenfalls ungewöhnlich vorgekommen. Aber einen fröhlichen und gesunden Eindruck
hatte Janna in den wenigen Tagen, die ich sie gekannt hatte, nicht gemacht. Ich
erinnerte mich an meinen Drogenverdacht.
»Sie war Ihre Chefin.«
Svetlana zog argwöhnisch ihre erst ausgezupften und dann
mit einem Stift nachgemalten Brauen zusammen.
»Ich hab das auf Jannas Schild gelesen.« Mit einer Kopfbewegung
deutete ich auf das Namensschild, das auf Svetlanas Busen hin- und herwippte. »Es
gab doch sicher auch Leute, die sie als Vorgesetzte nicht mochten, oder?«
»Nein, gab es nicht!«, widersprach Svetlana ärgerlich. »Wieso
Sie wollen wissen?«
Gute Frage. Wieso ich wollte wissen? Janna war tot, ein
bisschen spät, um ihr bei ihrem Problem mit dem Bluterguss zu helfen. Ich
musste mich endlich um meine eigenen Probleme kümmern. Da gab es schlieÃlich
genug zu tun.
Andererseits schaffte ich es mit Jannas Hilfe vielleicht,
nicht durchzudrehen.
»Wir haben ein paarmal miteinander gesprochen«, log ich
drauflos. Lügen war ich gewohnt, lügen konnte ich, lügen gab mir Sicherheit. »Sie
wirkte nervös.«
»Sie war sehr fröhliche Mensch!«, protestierte Svetlana
prompt. »Wir mochten alle sie sehr, sie wird fehlen!«
In ihrer Tasche klingelte wieder das Telefon. Svetlana
zuckte zusammen.
Ich wartete darauf, dass sie ranging.
Ohne Vorwarnung brach sie in Tränen aus. Sie zerrte ein
Taschentuch aus der Schürze und presste es vor ihr Gesicht.
Das Telefon klingelte immer noch.
»Warum gehen Sie nicht dran?«
Sie weinte weiter.
»Ist das Ihr Mann?«, riet ich.
Sie schüttelte den Kopf.
Das Klingeln hörte auf.
»Ist Abteilungsleitertelefon«, schluchzte sie. »Ich muss
mitnehmen, wenn Janna nicht da.«
Erst jetzt las ich, was auf dem Namensschild an ihrer
Schürze stand: S. Ulenko â stellv.
Abteilungsleitung Reinigung.
»Aber ich bin nicht gut in Deutsch. Ich kann besser verstehen,
wenn ich Lippen sehe, an Telefon ich bin ganz schlecht.«
Ach so.
»Und ich bin auch nicht gut mit schreiben. Janna hat
Formulare gemacht für mich. Und jetzt muss Desinfektionsmittel bestellt werden.
Und eine Rechnung ist gekommen und ich weià nicht, für was. Und Chef will
Urlaubsplan für die nächste Jahr und ich finde nicht, weil ich nicht kann
lesen.«
Svetlana war Analphabetin. Jedenfalls in Deutsch, Kyrillisch
konnte sie vielleicht besser.
»Und niemand weiÃ, dass Sie nicht lesen können?«,
schlussfolgerte ich.
Sie schüttelte den Kopf: »Aber sie werden merken jetzt.
Sie werden mir Stellvertretung wegnehmen. Und ich brauche die hundert Euro
mehr. Meine Sohn studiert noch eine Jahr.«
»Ich könnte Ihnen bei der Bestellung helfen«, bot ich Svetlana
kurz entschlossen an.
Â
Der Kellerflur wirkte ähnlich steril wie die Flure
auf den Stationen, Weihnachtsschmuck gab es natürlich nicht und auch das PVC auf
dem blanken Beton hatte man sich gespart. Svetlana führte mich an einigen
Stahltüren vorbei.
Bettenstation, stand
auf einer, Wäscherei auf einer
anderen.
Ein Stück weiter öffnete Svetlana eine der Türen mit
einer Plastikkarte, die an ihrem Schlüsselbund baumelte. Abteilungsleitung Reinigung las ich hier.
Im Raum war es kühl und klamm. Es
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