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Hämatom

Hämatom

Titel: Hämatom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
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hatte. Da konnte es nicht schaden, Svetlana daran zu erinnern,
dass ich von ihrem Sprachproblem wusste.
    Ich klammerte meine Finger um die Schlüsselkarte, holte
tief Luft und lief, so schnell ich konnte, den unendlichen Flur entlang,
öffnete das Reinigungsbüro und drückte die Tür hinter mir zu.
    Geschafft.
    Zögernd flackerte die Beleuchtung auf.
    Gemütlich war der kahle Raum ja nicht gerade. Und warm
auch nicht. Ich erinnerte mich an den verräterischen Türspalt und legte einen
Lappen davor, denn das Licht würde ich hier im Keller, direkt neben der
Leichensammelstelle bestimmt nicht ausschalten.
    Die Putzfrauen begannen um sechs Uhr ihre Arbeit. Also
programmierte ich die Weckfunktion meines Handys auf Viertel nach fünf.
    Einen Augenblick dachte ich darüber nach, mir aus den
Putzlappen ein Lager auf dem Betonboden zu basteln. Dann rollte ich mich auf
dem Bürostuhl in meine Jacke.

    Â 

12.
    Natürlich ließ der Albtraum mit dem langen, dunklen Flur auch
in dieser Nacht nicht lange auf sich warten. Zur Abwechslung verfolgte mich
diesmal allerdings eine nackte Leiche, die aus einem Kühlfach der Pathologie
entkommen war.
    Ich war erleichtert, als ich endlich aufwachte. Erst im
zweiten Moment begriff ich, dass es nicht mein Handy gewesen war, das mich
geweckt hatte, sondern das Klicken des Türschlosses.
    Da schwang die Tür schon auf und schob den davor liegenden
Scheuerlappen zur Seite.
    Erschrocken sprang ich hoch und stand vor einer dicken,
jungen Frau mit offenem Mund und fehlendem Kinn.
    Scheiße!
    Eine Sekunde lang starrten wir uns an.
    Das war Viktoria Lebrecht. Die Schwerbehinderte, die mir
freundlicherweise ihre Bewerbungsunterlagen zur Verfügung gestellt hatte.
    Noch mal Scheiße!
    Was jetzt?
    Ich wartete darauf, dass sie etwas sagte. Doch sie
starrte immer noch mit offenem Mund.
    Na schön, Angriff, bevor ich mich verteidigen musste.
    Â»Guten Morgen. Mein Name ist Ziegler, ich bin die neue
Abteilungsleiterin, hab heute meinen ersten Tag!« Ich trat um den Schreibtisch
herum und streckte der Frau die Hand hin, ohne das Reden einzustellen. »Herr
Herold wird mich später noch im Team vorstellen …«
    Wieso hatte mein Handy mich nicht geweckt?
    Ich zog es aus der Tasche.
    Drei nach fünf! Alles okay. Was machte die schon hier?
    Â»Aber ich dachte, Ihr Dienst beginnt erst um sechs!? Was
machen Sie schon hier?«, fragte ich direkt, was ich wissen wollte.
    Â»Ich – äh …« Viktoria Lebrecht hatte meine hingehaltene
Hand noch immer nicht geschüttelt, dafür schnappte sie entsetzt nach Luft.
    Â»Ã„h – ich …« Erstaunt sah ich zu, wie die Dicke knallrot
wurde. »… mein Bus fährt so früh.«
    Meine Fresse, eine so miserable Lüge hatte ich in meinem
ganzen Leben noch nicht gehört! Lass es lieber bleiben, Kleine, dir fehlt ja
jedes Talent.
    Â»Wir sind hier in der Innenstadt, da fahren die Busse
doch im Minutentakt, oder?«, bemerkte ich sachlich.
    Pochende Adern traten rund um Viktorias formloses Gesicht
hervor, gleich würde ihr Kopf platzen.
    Â»Ã„h …«, sagte sie noch einmal, machte auf dem Absatz
kehrt und rannte hinaus.
    Verdutzt sah ich ihr nach. Wieso war sie so früh hier?
Und warum war sie ins Büro gekommen?
    Offensichtlich wollte sie es nicht erzählen.
    Ich kramte die Tüte mit der neuen Jeans, den Blusen und
den gehfreundlicheren, absatzlosen Schuhen hervor, steckte Make-up und Bürste
in die Jackentasche und schlich damit auf den Flur.
    Vorsichtig vergewisserte ich mich, dass Viktoria Lebrecht
nicht mehr zu sehen war, und lief dann in die Personalumkleide Damen.

    In dem Raum gab es eine ganze Wand voll Metallspinde, ein
Waschbecken und eine Toilette. Weil ich vergessen hatte, mir eine Zahnbürste zu
kaufen, putzte ich meine Zähne mit dem Finger, steckte meine Haare wieder glatt
zurück und schob mir die Brille auf die Nase.
    Halb sechs zeigte die Zeitangabe meines Handys.
    Für eine Tasse Kaffee reichte die Zeit bis zum Dienstbeginn
noch. Und meine zitternden Hände sagten mir, dass ich die dringend benötigte.

    Â 
    Als ich in Herolds Büro trat, hatte ich drei Becher
aus einem Automaten in der Eingangshalle gezogen und in mich hineingeschüttet.
    Der Dicke erhob sich ächzend von seinem Stuhl und reichte
mir eine schon wieder feuchte Hand. Dabei konnte er doch nur ein paar Minuten
hier sein. Wieso schwitzte er, obwohl er noch

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