Hämatom
einigermaÃen entsetzt über die hygienischen Zustände,
die ich in diesem Haus vorfinde. Im Hotelgeschäft hätten sie mit einem derartig
miserablen Service längst Konkurs anmelden können. Dass Ihre Zimmer belegt
sind, kann ich mir überhaupt nur damit erklären, dass ein GroÃteil Ihrer Gäste
bewusstlos ist.«
Aus dem Augenwinkel ahnte ich, dass sich Gotts Rauschebart
zu einem Grinsen verzog.
»Was erlauben Sie sich!«, explodierte Adolf unverhohlen
zornig. »Das gehört nicht hierher! Lassen Sie sich von meiner Sekretärin einen
Termin geben!«
Na also. Sie traute sich ja doch hinter ihrer
distanzierten Fassade hervor.
»Aber gern. Schön, dass ich Sie davon überzeugen konnte,
dass weiterer Diskussionsbedarf zu dem Thema besteht«, triumphierte ich und
wandte mich zum Gehen.
»Ich hoffe, ich konnte verdeutlichen, wieso Schwesternzimmer
und Sozialräume gegebenenfalls hinten anstehen müssen, solange wir für dieses
Personalproblem keine Lösung finden können«, sagte ich auf dem Weg zur Tür noch
zu Gott und dem Ziegenbart und hoffte, den Knall zu hören, mit dem Adolf hinter
mir explodierte.
Der WeiÃgekleidete, bei dem es sich vermutlich um den
Häuptling des Pflegepersonals handelte, wollte etwas sagen. Doch ein warnender
Blick von Adolf lieà ihn artig schweigen.
Memme.
»Frau Ziegler hat vielleicht recht«, kam Gott mir zu Hilfe,
dessen Respekt vor Adolf sich offenbar in gesunden Grenzen hielt. »Dieses
Problem betrifft auch unseren Bereich. Deshalb halte ich es für sinnvoll,
gleich an dieser Stelle darüber zu sprechen.«
Verblüfft blieb ich stehen. Der Chefarzt saà lässig zurückgelehnt,
den unvermeidlichen Kittel offen, sodass ich sein goldenes Stethoskop auf dem
grauen Strickpullover baumeln sehen konnte. Seine wachen, dunklen Augen funkelten
belustigt, als er mich musterte. »Die Zimmerreinigung ist ein wesentliches
Qualitätsmerkmal. Die Patienten sind unsere Kunden und gerade in den
Patientenzimmern herrscht ständiger Publikumsverkehr. Und es ist unbestreitbar,
dass vor der Privatisierung andere Hygienestandards herrschten.«
Vor der Privatisierung. Das hatte ich schon mal gehört. Damals, als es noch eine Küche gab und das
Essen von echten Menschen verteilt wurde. Das klang wie eine eigene Zeitrechnung;
so wie man vor und nach Christi rechnete, wurde hier wohl in vor und nach der
Privatisierung unterteilt.
Adolfs Miene versteinerte.
»Die hygienischen Bedingungen sind eindeutig die häufigste
Ursache für Beschwerden«, wagte der Ziegenbart endlich, seine Meinung
beizutragen, auch wenn sein Kopf dabei aufleuchtete wie eine rote Ampel.
Adolfs Miene wurde noch eisiger, am liebsten hätte sie
wohl meine Zunge am Gaumen festfrieren lassen.
Tja, funktionierte nicht: »Ich habe bereits einige Kontrollen
des Gesundheitsamtes miterlebt und rate dringend dazu, die Stelle von Frau
Degenhardt so âºzeitnahâ¹ wie möglich zu besetzen«, versuchte ich es mal mit
Herolds Lieblingsausdruck der Kategorie âºnichtssagende Wörter für jede Gelegenheitâ¹.
Dabei blieb ich so unverbindlich freundlich, wie es sich in einer dienstlichen
Besprechung gehörte.
»Dann besetzen Sie sie eben!« Adolf musste die Worte
ausspucken, damit sie ihr über die Lippen kamen. »Schreiben Sie die Stelle aus
und vereinbaren Sie für nächste Woche Vorstellungsgespräche. Und halten Sie
sich in Zukunft an den Dienstweg!«
Ihre schmalen Augen waren zu blitzenden Schlitzen geworden.
»Besten Dank!« Ich verabschiedete mich mit einem Kopfnicken
und ging.
Â
18.
An Ramonas Schreibtisch lehnte ein Sanitäter in neonfarbener
Warnkleidung.
»Hi!?« Ramona stellte ihren Kaffee zur Seite, als sie
mich sah. »Sag bloÃ, du warst noch mal drin?«
Da ich aus Adolfs Büro gekommen war, erübrigte sich die
Antwort.
»Und? Ist dein Kopf noch dran?«
»Sonst würde ich ihn ja unterm Arm tragen.«
»Glückwunsch.«
Die schwarzen Locken des Sanitäters waren zu lang, ungekämmt
und im grellen Licht der Bürobeleuchtung von deutlichem Grau durchzogen. Die
dunklen, von Falten umrahmten Augen wirkten müde. Es war der Mann, der Ramona
zu Jannas Beerdigung begleitet hatte.
»Das ist Lila Ziegler, die neue Abteilungsleiterin der Reinigung«,
stellte Ramona mich vor. »Boris Osleitschak, Sanitäter und Vorsitzender
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