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Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Titel: Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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Lady jetzt in Ruhe«, blaffte John Wayne so plötzlich ins Wohnzimmer, dass sie zurück zuckte.
    Dann raste seine Faust nach vorn und ins Gesicht eines unr a sierten Kerls, der darauf hin durch die Pendeltüren des Saloons stürzte.
    Sie starrte auf den Bildschirm, die Augen aufgerissen wie ein Uhu.
    »Ich bin ihnen sehr dankbar, Mister … ?«, sagte die schlanke Frau an Waynes Seite und lächelte scheu .
    U nd dann sah Elvira ihn.
    Karl-Heinz trug keinen Hut, aber ein Halstuch; sein Hemd war bis zum letzten Knopf geschlossen, und er umklammerte ein leeres Glas. Eine unbeschriftete Flasche mit brauner Flüssigkeit rutschte über den Tresen, aber er ergriff sie nicht.
    Er stand im Hintergrund, und niemand schien zu ihm zu geh ö ren; seine Haltung glich der, die er einnahm, wenn er aus dem Garten kam: Abgekämpft, aber entspannt.
    Elvira schlug mit der flachen Hand auf den Bildschirm und wimmerte auf; es klang ein wenig wie ein sterbender Vogel.
    Dann war das Bild fort und nahm ihren Mann mit sich in ein weißgraues Rauschen.
     
    Sie wurde eine Expertin, was das laufende Fernsehprogramm anging; das Gedächtnis ist zu unglaublichen Dingen fähig, wenn man es nur hart genug fordert.
    Sie lernte alle Sendungen der kommenden vier Wochen au s wendig – nur die Spielfilme, nur nach Mitternacht. Sie hatte gedacht, das könne nicht all zu viel Arbeit sein, aber die Flut der Ausstrahlungen war überwältigend.
    Einhundertzweiundsiebzig Filme, die meisten in den Jahren zwischen 1938 und 1955 entstanden – und achtundzwanzig davon wurden um genau Null Uhr zwanzig ausgestrahlt. Sie gewöhnte sich an, tagsüber zu schlafen, und seit dem sie Karl-Heinz gesehen hatte, gelang es ihr sogar einigermaßen, auch wenn sie Medikamente dazu benötigte.
    Sie sah ihn noch einige Male.
    In einer Samstagnacht hatte er Edward G. Robinsons Wagen gelenkt, und obwohl sie nur seine Augen, eingebettet in das Nest kleiner Lachfältchen im Rückspiegel der Limousine hatte sehen können, hatte sie aufgeschrieen.
    Dann, einige Nächte später war er ein Partygast in DIE OBEREN ZEHNTAUSEND gewesen, und Sinatra hatte ihn am Ärmel seines Dinnerjacketts gestreift, als er zusammen mit Bing Crosby aus dem Bar-Room stolziert war, um zu singen. Karl-Heinz hatte seltsam angespannt gewirkt, so, als wolle er nicht wirklich dort sein.
    Aber was sie aus der Fassung gebracht hatte, war sein drittes Erscheinen gewesen:
    Errol Flynn hatte ein Tau ergriffen, um sich in das pulve r dampfgeschwängerte Schwarzgrau eines angreifenden Schiffes zu schwingen, den Säbel zwischen den Zähnen , und durch die Nebel des Kampfes war ihr Mann erschienen, ein Kopftuch und eine bestickte Weste am Leib.
    Und diesmal, da war sie sicher, hatte er ihr direkt in die Augen geschaut und gelächelt.
     
    Filterkaffee.
    Am darauf folgenden Tag war an Schlaf nicht zu denken gew e sen.
    Wie eine Ätzung war sein Lächeln in ihr Hirn gedrungen. Schloss sie die Augen, sah sie ihn vor sich, grimmig lächelnd und bis in ihr Herz blickend, als wolle er sagen: Nimm’s nicht so schwer, Liebling.
    Er konnte sie sehen, das stand nun für sie fest.
    Wenn sie nachdachte, hatte er sie immer angesehen, in jedem Film, s chließlich blickte man in Filmen stets in die Kamera – aber in diesem Piratenfilm hatte er sie angesehen, nur sie, und nicht ein Publikum Popcorn essender Kinogänger der Vierziger Jahre.
    Dieser Blick, dieses Lächeln …
    So hatte er gelächelt, als sie auf einem Ausflugsdampfer die Mosel h in unter getuckert waren, sie ein geknotetes Tasche n tuch über dem Haar, er eine Zeitung über den Kopf haltend. Es war ein sehr heißer Tag gewesen . E r hatte gelächelt, ihr zugezwinkert und sie geküsst; da hatte sie gewusst, dass es ew i ge Liebe gibt, und das s man diese nicht nur als Prinzessin e r lebt e , die von einem weißen Ritter erobert wurde, nein: die wahre Liebe blühte auch auf einem Stahlbottich, der nach Di e sel roch.
    Sie blühte in einem.
    Sie wusste, was zu tun war.
    HEUT’ GEHEN WIR BUMMELN, Originaltitel ON THE TOWN, 1949.
    Der junge Frank Sinatra und der göttliche Gene Kelly legen als Matrosen im New York der Vierziger an, tanzen, singen und lieben sich durch die Stadt. Ein Meisterwerk des Musicals aus der Feder von Adolph Green mit oscarprämierter Musik. 00:20 Uhr.
    Elvira nickte entschlossen.
    Das war der richtige Film. Tanzen, tanzen bis zum Morge n grauen.
    Sie würde mit Karl-Heinz durch die Straßen bummeln, den Broadway hinunter.
    Sie fragte sich, ob man

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