Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)
weiter gefahren , denn dort hatte kaum der Eingang sein können.
Jetzt stand er vor einem braun gestrichenen Stahltor an der Längsseite der Halle, auf das jemand einen Zettel » Personal: Heute hier « befestigt hatte.
Er klopfte.
Straelen befand sich zu dieser Zeit mitten in einer Recherche über das Nachtleben Dortmunds.
Dass er diese Arbeit sowohl im Sitzen als auch mit herunterg e lassener Hose vornahm, war seiner Konzentration nicht abträ g lich. Im Gegenteil.
Er ruhte ganz in sich selbst, während er in der Zeitschrift blä t terte und darauf wartete, dass sein Darm das eilig verzehrte Mittagessen in etwas völlig N eues verwandelte.
Die Tür der Waschräume ging auf.
Straelen, zu dessen Passionen außer Planung und Dekoration auch das ausgiebige M editieren am stillsten Ort der Halle g e hörte, nahm wahr, wie die Tür gegen den verchromten Abfal l eimer tickte.
Da hat es aber einer eilig, dachte er.
»Herr Straelen?«
Das war Richthoven.
Unfassbar, dachte Straelen, er stört mich beim K acken.
Dann durchflutete ihn ein ganz mieses Gefühl: E s musste Pr o bleme gegeben haben, wenn der Boss im bis aufs Klo folgte.
»Jaaaa. Hier.«
Merkwürdigerweise sagte Richthoven jetzt nichts. Dafür klang es, als würde er schwer atmend vor seiner Kabinentür stehen.
»Herr Richthoven? Moment, ja … E ine Sekunde.«
Straelen richtete sich widerwillig auf, wobei er seine Jeans in Position zerrte.
Durch die Wucht des Tritts flog die Toilettentür nach innen, und vierzig Kilo weiß lackierte Spanplatte trafen auf Straelens Gesicht.
Er flog nach hinten, wobei eine Blutfontäne aus seiner Nase sprudelte wie Sekt bei einer Schiffstaufe.
Richthoven stand vor ihm, registrierte er benommen durch eine Milliarde explodierender Miniatursonnen.
Diese Schmerzen!
»Verzeihung«, sagte Richthoven.
Seine linke Hand war zu einer Geste des Mitleids ausgestreckt, die rechte allerdings hinter dem Rücken verborgen. Über dem sichtbaren Unterarm hing ein beiges Frotteehandtuch.
»Tut mir wirklich leid, Herr Straelen«, entschuldigte er sich wieder, und es klang aufrichtig beschämt.
»Was … ?« setzte der Eventmanager an. Seine Stimme blubbe r te.
Dann warf Richthoven das Handtuch über den Kopf des Ve r letzten.
»Ich brauch noch eins«, röchelte Straelen, der blutete wie abg e stochen, unter dem dämpfenden Frottee hervor, »das hier reicht nicht.« Es klang, als würde er weinen.
»Ja. Moment. Wird gleich besser«, sagte Richthoven mit b e drückter Stimme.
Dann ließ er den Hammer auf Straelens Schädel herab sausen.
Ich schlage einen Nagel in die Wand , dachte Richthofen. I ch schlage nur einen Nagel in die Wand.
»Nur einen Nagel«, hörte er sich sagen, »nur einen – und noch einen … «
Er verrichtete so lange Zimmermannsarbeit, bis die kleine K a bine in Straelens Blut schwamm.
Das war nicht mehr aufzuräumen, befand er träumerisch, aber das S chlimmste war vorbei.
Er verließ den Raum, ging unsicher einige Schritte und stoppte dann abrupt.
Er taumelte zurück und verschloss die Waschraumtür mit se i nem Universalschlüssel.
12
Wenige Minuten später trafen die Securityleute ein. Sie entsti e gen einem braunen Passat Kombi, streckten sich und drehten die Rümpfe. Es schien eine lange Fahrt gewesen zu sein.
Die Männer wirkten etwas steif, aber keineswegs müde. Die neugierigen Blicke der Jugendlichen, welche die Schneise säu m ten, die der Passat sanft durch die Massen geschnitten hatte, waren wie Koffein für ihre ohnehin geschärften Sinne gewesen. Das hintere Tor war vollkommen unerreichbar gewesen. Sie hatten es dann an der Längsseite versucht und waren auf die Tür mit der Notiz gestoßen.
Wachsam blickten sie sich um, lauschten auf den Lärm der Menschentraube in ihrer Nähe und begannen dann, den Wagen zu entladen. Mehrere schlanke Lederkoffer kamen zum Vo r schein.
Einer der drei Männer, ein großer Kerl mit grauem Pferd e schwanz, der wie die anderen eine hochgeschlossene Nylonja c ke mit dem Aufdruck » Midas Sicherheitsdienstleistungen « trug, sagte : »Wir sind nicht die ersten . «, und wies auf den schwarzen Transporter.
»Hm , so wie es aussieht, hast du recht.«
Der Mann, der geantwortet hatte, legte leicht den Kopf schräg. Er betrachtete den Wagen so intensiv und eingehend, als wolle er ihn durch bloßes Starren in seine Einzelteile zerlegen.
»Das könnte er sein.«
Die anderen nickten.
»Das ist er. Und er ist schon drin. Es geht los.«
Der
Weitere Kostenlose Bücher