Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)
Pferdeschwanz lächelte düster.
»Wer wüsste das besser als wir?«
Der Dritte, der bisher geschwiegen hatte, ergriff das Wort.
»Wir folgen den schwarzen Spuren. Scheint mir das Beste zu sein. Warum ist hier keiner von der Halle? Diese Anlage ist aufgebaut wie die verdammte Pariser Oper. Gänge ohne Ende, Keller, Aufgänge … oh Mann. Wer immer hier was transpo r tiert hat, kannte den Weg wahrscheinlich auch nicht.«
Die anderen grummelten zustimmend.
»Wir müssen in den Goldsaal, vergesst das nicht«, sagte er dann, »jeder andere Ort ist heute so unwichtig wie nur was.«
»Ist klar«, nickte der Langhaarige; dann wandte er sich an B e nedikt.
»Versiegele die Tür.«
Benedikt öffnete einen der Koffer, entnahm eine Bibel und den Stumpen einer Kerze und begann zu sprechen.
»Dieses ist nicht mehr Ein – noch Ausgang, sagt der Herr.«
Dann erwärmte er den Stumpen unter der Flamme eines Zi p po. Auf das Feuerzeug war ein Kruzifix eingraviert, unter dem INRI stand. Er ließ etwas Wachs auf die Schwelle tropfen, wartete einige Sekunden und presste dann das Siegel seines Rings hinein. Es hinterließ den Abdruck eines Kreuzes, durch das ein Schwert getrieben war.
»Ein bisschen zügiger«, sagte der Langhaarige, wofür er sich einen strafenden Blick einfing.
Benedikt legte die Bibel neben das Wachssiegel auf die Schwe l le und erhob sich.
»Weiter geht’s. Gott weiß, wie viele Türen noch kommen.«
15
Neunzehn Uhr.
Der Mann in S chwarz hatte die Halle gefunden. Ihm war es gelungen, das Relikt, das jetzt kälter denn je erschien, eine steile Rampe hinauf zu schieben.
Vor ihm ragte ein schwarzer Vorhang auf, der so hoch war, dass die Aufhängung vom Boden aus nicht zu sehen war. Alles lag im Dunkel . A ls er den Stoff nach oben schob, sah er in ein schwarzes Nichts.
Er richtete das Relikt exakt in der Mitte der Bühne aus, ve r neigte sich davor und zog sich zurück. Noch eine Stunde , dann würde er seinen Platz in vorderster Reihe einnehmen und seine Belohnung empfangen.
Er rief sich den Ablauf des Rituals ins Gedächtnis.
Niemand durfte sitzen; man stand, bis man zum K nien aufg e fordert wurde.
Der Ort durfte nicht heilig gesprochen oder geweiht sein. Je weltlicher, desto besser.
Die Schlüsselpole mussten bestimmte Personen sein, welche die unheilige Dreifaltigkeit repräsentierten:
Ein gefallener Priester in der Mitte der Halle, ein Wucherer am hintersten Ende und ein direkter Diener ganz vorn.
Das war er.
Keine Musik, keine Diskussionen.
Ein einziges Gebet, dessen Worte seit tausend Jahren festgelegt waren.
Er ließ den Kopf kreisen, was ein leises Knirschen erzeugte . W enn es nach ihm ging, konnte es losgehen.
1 6
Die Midas-Männer, die noch gestern vom Papst persönlich gesegnet worden waren, um dann ihre Ausrüstung zu empfa n gen und einen Flieger zu besteigen, hatten den vollkommen dunklen Goldsaal betreten und begannen, sich vorzubereiten.
Ein geeigneter Winkel war schnell gefunden. Nahe des Ei n gangs gab es eine Treppe, deren steinerne Stufen auf eine Art Balkon führte n , wo sich das Beleuchtungsmischpult befand .
Der Auftrag war klar: D ie drei Schlüsselpersonen, Pole g e nannt, mussten getötet, das Relikt zerstört werden, und zwar exakt in dieser Reihenfolge. Würde es anders herum laufen, könnte der Bewohner des Relikts durch einen dieser Männer auferstehen.
Dann würde er diese Hülle benutzen , um zu entkommen.
Eine ewige Nacht würde sich über die Erde senken. Die ohn e hin dünnen Membranen der vom parapsychologischen Institut des Vatikans als existent bestätigten Zwischenwelten würden reißen.
Von den unbekannten Querdimensionen gar nicht zu reden; vermutlich beherbergten diese nur die körperlose Essenz unn a türlich Verstorbener, vielleicht aber auch mehr als das. Ben e dikt kannte die einschlägigen Memos.
Soweit wollte es der seit Jahren auf diesen Fall trainierte, chris t liche Stosstrupp gar nicht erst kommen lassen.
Sie kauerten nahe der Bühne, die durch einen schwarzen Vo r hang vom Rest der Halle abgetrennt war, und beteten.
Ein Auge allerdings hatten sie stets für Bewegungen innerhalb des Raums reserviert.
Nach einigen Minuten der Stille begann Benedikt damit, feine Streifen aus den Säumen der samtenen Wandbehängen zu schneiden.
Währenddessen suchten die anderen einen guten Platz zur I n stallation der beiden ausgesprochen weltlichen PSG1-Scharfschützengewehre. Es waren zwei, nur für den Fall.
Die Samtstreifen sollten
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