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Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition)

Titel: Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Sträter
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Worte der Bordbegleiterin wurden von einer anderen, lau t stärkeren Äußerung verschluckt.
    »Leck mich am Arsch!«
    Ein Bordmechaniker kniete unter dem Fahrwerk, einen Finger in der Pfütze, eine Hand an die Wange gelegt. Sein Gesicht hatte die Farbe alten Zeitungspapiers.
    Andere Männer in sauberen, blauen Monturen kamen herbei gelaufen, und das Lächeln der Stewardess erlosch.
     
    Das Büro des zuständigen Managers der Fluglinie war mit F o tos und Postern von Australien dekoriert.
    An der Tür hatte ein Schild »Kangaroos crossing« aus gelbem Plastik gehangen.
    Seinem Gesicht nach fürchtete er einen Griff in den Beutel der Fluglinie.
    »Das war sehr aufmerksam von Ihnen«, sagte er.
    »Ja«, antwortete der Mann in B lau nur.
    »Wir sind bereit, Sie mit einem, sagen wir … Freiflug zu belo h nen.«
    Die unausgesprochene Gegenforderung in diesem Angebot lud die Luft fast spürbar auf, aber beide Männer ignorierten es.
    »Schon gut. Ich soll es niemandem erzählen, keine Presse und so weiter. Gut. Kein Problem.«
    Der Mann hinter dem Schreibtisch versuchte sich seine Freude nicht anmerken zu lassen, und startete einen gewagten Versuch.
    »Es wäre nicht zum Äußersten gekommen, aber ich bin froh, dass Sie so aufmerksam waren. Nochmals danke.«
    »Ich habe auf dem Weg hierher mit einem Ihrer Techniker geredet«, lächelte der Mann in B lau, »und der meint, das Zeug wäre aus dem Fahrwerk ausgetreten. Soll heißen, wenn der liebe Gott beim Landeanflug auf Frankfurt keine Kufen an ihren Flieger gezaubert hätte, wäre es eine mächtig rumpelige Landung geworden. Kein Applaus für den Piloten – nicht, wenn nach einem Kurzstreckenflug noch achtzig Prozent des Kerosins in den Tragflächen ist und ihre Maschine Funken von der Größe kleiner Vulkane produziert.« Er lehnte sich zurück.
    »Das sagt ihr Techniker. Vertrauen Sie ihren Technikern?«
     
    »Was wollen Sie ? «, flüsterte der Manager, der nun keine Angst mehr um den Beutel seiner Airline, sondern um seinen Kopf hatte.
    »Nur eine Information und ein kleines Zugeständnis. Darf ich?«
    Der Manager nickte, wobei er weniger den freundlichen, ruh i gen Mann in B lau, als vielmehr sich selbst sah, wie er seiner Frau erklärte, warum er einen Karton mit Australienfotos mit nach Hause brachte.
    »Die erste Frage ist simpel: W ie viele Leute waren an Bord – Verzeihung! – wären an Bord gewesen?«
    »Zweihundertzwölf. Mit Ihnen.«
    »Also zweihundertelf. Danke. Zweitens: Sind wir zwei uns g e nerell einig, dass es vermutlich zu einer Katastrophe geko m men wäre, bei der mit an Sicherheit grenzender Wahrschei n lichkeit Tote zu beklagen gewesen wären? Einer? Zehn? Alle?«
     
    Die Pause, die eintrat, schien ewig zu dauern; eine müßige M i nute nur für den Mann in B lau, der sich gedanklich an einer Zahl festsaugte, eine ganze Karriere für den Manager.
    »Ja.«
    Der Mann im blauen Anzug sprang auf.
    »Schön, dass wir das klären konnten. Ich muss los. Ihnen noch einen schönen Tag.«
    Er klopfte launig auf den Schreibtisch des Managers, griff seine Tasche und verließ das Büro.
     
    Während er einen Kaffee trank und seine Kladde studierte, machte er sich auf einer Serviette Notizen.
    Neue Kladde kaufen. Din A4?
    Er zückte zum zweiten Mal heute einen Fünfeuroschein, legte ihn auf den Tisch und ging.
    »Zweihundertelf im Plus«, sagte er.
     
    Er hatte viel Arbeit vor sich.

Ein Brief, zähneknirschend verfasst
    Liebe Eva !
    Wenn Du das hier liest, bin ich bereits tot.
    »Dass ich dich verlasse, heißt nicht, dass ich dich nicht liebe.«
    Das hast Du zu mir gesagt, letzte Nacht; ich muss schon sagen, starker Tobak.
    Ich habe darüber nachgedacht, warum Du mich nicht mehr lieben könntest ; habe mich betrunken und gegrübelt, bin wi e der nüchtern geworden und habe weiter nachgedacht, mir das verdammte Hirn zermartert.
    An mir kann es nicht gelegen haben.
    Du hattest alles, was Du wolltest.
    Gut, das ist eine typisch männliche Aussage, aber komm mir jetzt bitte nicht mit »was ich wirklich wollte, hast Du mir nie gegeben.«
    Bitte, ja?
    An meinen Manieren gab es auch nichts auszusetzen.
    Ich kann mit Besteck umgehen, halte die verdammte Tür auf und vergesse weder Geburtstage noch unsere üblichen, von dir installierten kleinen Feierstunden – Du weißt schon: Heute jährt sich unser erster Drink, der erste Kuss, der erste Sex, der erste was weiß ich.
    Ich konnte mir nur vorstellen, dass es an meinen Freunden lag. Hattest wohl das Gefühl,

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