Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition)
Meinung, er ist zu dick?«
Das war die Frage aller Fragen! Ich hielt die Luft an und trat einen Schritt näher, um auch ja die Antwort nicht zu verpassen. Und knallte prompt mit dem Kopf gegen die Tür, die sich daraufhin mit leisem Knarren öffnete – und mich in der nächsten Sekunde dastehen ließ wie die letzte Idiotin. Mit flammendem Gesicht starrte ich direkt auf die breite Brust von Sven, und als meine Blicke höher wanderten, sah ich das undeutbare Funkeln in seinen Augen.
»Also ich … ich habe das Essen gerochen«, stieß ich stammelnd hervor, »und da hatte ich … da hatte ich plötzlich einen tierischen Hunger.« Hastig ging ich an Sven vorbei zum Herd, wo ein paar Steaks in der Pfanne vor sich hin brutzelten. Ich tat so, als würde ich mir nur für das Essen interessieren. Was dazu führte, dass ich mich augenblicklich tatsächlich nur dafür interessierte. Mir wurde ganz schwummerig von dem herrlichen Duft, der mir in die Nase stieg.
»Sven hat sich ein paar Steaks gebraten, und da ist mir eingefallen, dass ich heute auch noch nichts Richtiges gegessen hatte«, sagte Annabel. Sie trat neben mich und machte sich daran, die Steaks mit einer Gabel zu wenden.
Meine Blicke wanderten zum Tisch, der für zwei Personen gedeckt war. Auf einem Brett lag aufgeschnittenes Weißbrot, daneben stand eine Flasche mit Steaksauce. Und, welch Wunder, eine Flasche Rotwein.
Sven musste ihn besorgt haben. Bei uns gab es sonst nie Rotwein zum Abendessen. Wir tranken Wasser oder Apfelsaftschorle, aber keinen Rotwein. Pauline mochte keinen, Annabel wurde betrunken davon und ich verzichtete darauf, weil er fett machte. Ein Glas Wein hat, was die wenigsten Leute wissen, so viele Kalorien wie ein Brötchen. Und wenn ich die Wahl zwischen einem Brötchen und einem Glas Wein hatte, war mir das Brötchen allemal lieber. Schon deshalb, weil es satt machte, während man von Wein bloß noch mehr Hunger kriegte.
Mit großen Augen starrte ich auf die Pfanne. Wenn ich nicht aufpasste, würde mir gleich der Speichel aus dem Mund tropfen.
Anscheinend war mir meine Gier beschämend deutlich anzusehen, denn Sven sagte: »Du kannst gerne auch was abhaben. Es ist genug für uns alle da. Ich habe auch Salat mitgebracht.« Er wies zur Spüle, wo zerpflückter Eisbergsalat auf einem Küchentuch abtropfte.
»Das ist toll«, sagte ich mit echter Inbrunst, viel zu ausgehungert, um höflich abzulehnen. »Ich mache schnell ein bisschen Dressing für den Salat zurecht.«
»Ach du, lass mich das lieber machen«, sagte Annabel eilig. »Du weißt doch, die Spezialsauce nach deinem Rezept, die immer allen so gut schmeckt. Nimm dir einen Teller und dann setzt ihr euch einfach schon mal hin. Das Fleisch ist auch gleich so weit.«
Ich warf ihr einen irritierten Blick zu, doch sie war bereits dabei, die Zutaten für die Salatsauce aus den Schränken zu holen. Achselzuckend nahm ich mir einen Teller, Besteck und ein Glas aus dem Schrank und stellte dabei fest, dass Annabel im Laufe des Tages das ganze Kücheninventar wieder eingeräumt hatte. Überhaupt sah es mittlerweile im Haus so aus wie immer, ließ man das Handwerkerchaos im Wohn- und Esszimmer einmal außen vor. Die meisten Kartons waren aus dem Flur verschwunden, die Möbel wieder aufgestellt, fast alle Sachen wieder an ihren Plätzen verstaut.
Ich setzte mich an den Tisch und nahm mir ein Stück Brot. Sven ließ sich mir gegenüber nieder und schenkte Wein ein. Ich bedankte mich höflich und prostete ihm kurz zu. Da das Mittagessen ausgefallen war, hatte ich mir ein Ersatzbrötchen verdient. Ich trank den Wein und aß mein Brot und überlegte, wie schnell manche Dinge passieren konnten. Vorgestern hatten wir alle drei buchstäblich auf gepackten Koffern gesessen, bereit zum Aufbruch in unser neues Leben. Wir hatten alles genau durchgeplant, am Ende hatte es beinahe etwas Symbolhaftes gehabt, passend zu dem Sprichwort: Nur wer alte Ufer verlässt, kann zu neuen vorstoßen. Auflösung des Hausstandes, Hochzeit, Umzug – alles sollte praktisch und Zeit sparend innerhalb von zwei Tagen stattfinden.
Nicht, dass wir uns darum gerissen hatten, so Knall auf Fall und unter diesem Termindruck auszuziehen, aber es hätte nicht anders funktioniert. Als das Sozialamt uns vom Verkauf des Hauses informiert hatte, stand der Hochzeitstermin schon längst fest. Und die Wohnungen im Obergeschoss von Klaus’ Geschäftshaus waren nun mal nicht früher fertig zu stellen. Aber wo ein Wille ist, ist bekanntlich
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