Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition)
auch ein Weg, also kriegten wir es irgendwie hin. Oder besser gesagt: Wir hätten es hingekriegt, wenn nicht Klaus und Thomas die ganze Organisation mit einem Riesenknall zum Platzen gebracht und ein fürchterliches Tohuwabohu hinterlassen hätten.
Merkwürdigerweise ging trotzdem heute alles wieder seinen gewohnten Gang, als wäre nichts passiert. Bis auf den nicht zu vernachlässigenden Umstand, dass wir quasi auf Gedeih und Verderb diesem großen, blonden Anwalt ausgeliefert waren, dem neuerdings das Haus gehörte. Er gewährte uns gewissermaßen die Gnade, hier wohnen zu dürfen – so lange es ihm gefiel. Oder genauer, bis wir uns gefangen hatten, was ebenso gut morgen wie erst nächstes Jahr sein konnte. Wie auch immer, er wäre derjenige, der diesen Zeitpunkt zu bestimmen hatte, ganz bestimmt nicht wir selbst. Ich hatte zwar zur Kenntnis genommen, dass wir nicht sofort rausgeschmissen wurden, aber ich war wild entschlossen, auf der Hut zu bleiben.
Zerstreut nahm ich mir ein weiteres Stückchen Brot und knabberte daran herum. Es schmeckte wirklich ausgezeichnet, vor allem in Verbindung mit diesem köstlichen Roten.
Wir sollten vielleicht öfter welchen zum Abendbrot trinken, überlegte ich. Man konnte dafür ja einfach die Frühstücksbrötchen weglassen.
Dann wandte ich mich in Gedanken wieder aktuelleren Fragen zu. Solange ich die genauen Motive dieses Burschen nicht kannte, war Vorsicht besser als Nachsicht, so viel stand fest. Vielleicht war er tatsächlich ein sexsüchtiger Freak, der sich vorstellte, dass wir ihm zu dritt seine wildesten Träume erfüllten. Wenn ich mich nicht sehr täuschte, waren ihm fast die Augen aus dem Kopf gefallen, als er meinen nackten Hintern gesehen hatte, nicht nur beim ersten, sondern auch beim zweiten Mal. Und das war vielleicht nur der Anfang dessen, was ihm so an Zerstreuung in diesem Haus vorschwebte.
»Das Brot ist ja schon weg«, sagte Annabel besorgt, während sie die Schüssel mit dem fertig angerichteten Salat auf den Tisch stellte.
»Ich habe auch was davon gegessen.« Sven deutete auf die drei bis vier Krümelchen, die auf seinem Teller lagen.
»Ja, aber es waren mindestens acht Scheiben!« Hastig fügte sie an Sven gewandt hinzu: »Britta isst sonst nicht so viel. Eigentlich isst sie wie ein Spatz.«
Betreten musterte ich die Berge von Krümel, die auf meinem Teller und darum herum verstreut waren. Und wenn mich nicht alles täuschte, hatte ich mein Rotweinglas auch schon zum zweiten Mal leer getrunken.
»In der Vorratskammer liegt noch ein ganzes Baguette«, meinte Sven. »Und es gibt ja genug Salat und Fleisch.«
Ich schluckte. Meine Güte, wofür musste er mich jetzt halten? Nach dem, was er bisher von mir zu Gesicht bekommen und von Annabel über mich gehört hatte, höchstwahrscheinlich für eine vorzugsweise nackt herumrennende, gefräßige Chica mit dem breitesten Hintern in der Störtebekerstraße. Britta the butt.
Annabel servierte die Platte mit den fertig gebratenen Steaks und holte eilig das Reservebrot aus der Speisekammer. Ich erbot mich sofort, es aufzuschneiden, aber nicht mal das wollte sie mir überlassen. Sie schnitt das Brot und verteilte dann, ganz die fürsorgliche Bedienung, auch gleich die Essensportionen. Mir tat sie ein winziges Stückchen Fleisch und ein klitzekleines Löffelchen Salat auf, als könnte ich im nächsten Moment auf die Idee kommen, mir alle Steaks und den Löwenanteil aus der Salatschüssel unter den Nagel zu reißen. Dann schenkte sie für sich einen Fingerbreit und Sven ein randvolles Glas Rotwein ein und stellte anschließend die Flasche auf das Wandbord über dem Tisch, weit außerhalb meiner Reichweite. Ich hätte gern noch ein Glas getrunken, aber lieber hätte ich mir die Zunge abgebissen, als irgendwas zu sagen. Stattdessen erwiderte ich murmelnd Annabels fröhliches Guten Appetit und fing gemeinsam mit meinen beiden Tischgenossen an zu essen.
Das Fleisch war genau richtig, außen kross, innen zart und rosa. Sven hatte nicht gespart, als er die Steaks gekauft hatte.
Annabel spießte ein Stückchen auf ihre Gabel und betrachtete es sinnend, dann schob sie es rasch in den Mund, als könnte es plötzlich lebendig werden und ihr ins Gesicht springen.
Sven hob sein Glas. »Ich möchte auf eine gute Hausgemeinschaft anstoßen.«
Er sah, dass ich nichts mehr zu trinken hatte und streckte seinen langen Arm aus. Mit einer eleganten Bewegung pflückte er die Flasche vom Bord, als wöge sie nicht mehr als eine
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