Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition)
Feder. Großzügig goss er mir erneut das Glas voll und schenkte auch Annabel nach, dann prostete er uns erneut zu. »Auf ein gedeihliches Zusammenleben. Annabel, Britta – zum Wohl.«
Mein Zum Wohl fiel noch ein bisschen leiser aus als mein Guten Appetit, doch Annabel tat sich keinen Zwang an. Sie lächelte schüchtern. »Ich find’s wahnsinnig toll, dass du hier bei uns bist.« Dann wandte sie sich mir zu. »Du doch auch, oder?«
»Äh – ja«, sagte ich überrumpelt und nicht ganz der Wahrheit entsprechend. Langsam aß ich einen Bissen von meinem Fleisch und anschließend von dem Salat. Es war wirklich das perfekte Essen. Annabel war eine super Köchin.
»Britta ist eine super Köchin«, meinte Annabel eifrig, während sie an ihrem Fleisch herumsäbelte. »Sie kann zum Beispiel unheimlich gut …« Sie hielt inne und starrte auf das Stück Steak, das sie mit ihrer Gabel aufgespießt hatte. »Sie kann toll Fleisch braten.«
Das war schamlos übertrieben. Ich konnte nicht besser und nicht schlechter braten als andere Frauen auch. Wahrscheinlich eher schlechter. Ganz einfach deswegen, weil ich nur selten dazu kam. Möglicherweise war ich auf dem Gebiet eine Idee besser als Pauline, die in der Küche eine totale Niete war. Aber ganz sicher nicht so gut wie Annabel, die im Vergleich zu uns beiden geradezu formidabel kochte.
»Sie weiß praktisch alles darüber. Stimmt’s, Britta? Ich habe zum Beispiel keine Ahnung, was das hier ist.«
»Rindfleisch«, sagte Sven hilfsbereit.
»Natürlich.« Annabel lächelte ihn sonnig an, aber die winzige Falte zwischen ihren Brauen zeigte mir, was sie dachte, nämlich etwas in der Art wie: Wie kann man nur so blöd sein.
»Bei Rindersteak gibt es viele Möglichkeiten. Aber Britta kann das mit geübten Blicken unterscheiden.« Sie pikste mit der Gabel in ihr Steak. »Ich wüsste beispielsweise nicht, ob das hier Beefsteak, Tenderloin-Steak, Châteaubriand, Porterhouse-Steak, Entrecôte, Sirloinsteak, Clubsteak oder Kluftsteak ist. Aber Britta – die sieht so was immer, auch wenn’s gebraten ist.« Sie schob das Fleischstück mit der Gabel in den Mund und zerkaute es, als gelte es, einen Dämon zu bezwingen.
»Es ist ein Clubsteak, und zwar ein Fleischstück aus einer Scheibe vom hinteren Teil der Hochrippe«, hörte ich mich zu meinem eigenen Ärger sagen. Wieso, zum Teufel, stieg ich auf dieses dämliche Spielchen von Annabel ein? Was bezweckte sie mit ihrer Britta-beste-Hausfrau- und Annabel-blödes-Blondchen-Nummer ? Sie wusste genauso gut wie ich, welche Sorte Steak wir gerade aßen.
Sven wirkte tatsächlich beeindruckt. »Ich hätte jetzt echt gedacht, es wäre bloß ein stinknormales Rumpsteak.«
»Ein Rumpsteak oder Sirloinsteak ist ein drei Zentimeter dickes Stück vom flachen Roastbeef«, sagte ich automatisch. Auch das war eine von den Fachverkäufer-im-Fleischhandwerk-Fragen , die wir zusammen mit Klaus durchgegangen waren. Ihm war immer sehr daran gelegen, seinen bisher insgesamt drei Azubis der beste Ausbilder zu sein, den sie sich wünschen konnten. Und so hatten wir mit ihm geübt und er mit ihnen.
Beunruhigt schaute ich zu, wie Annabel abermals mit der Gabel in ihr Steak stach und es in einem Stück hochhob und es sich vor das Gesicht hielt. Aus höchstens zehn Zentimetern Entfernung starrte sie es an, als ob es sich um ein Alien handelte. Plötzlich gab sie ein ersticktes Wimmern von sich, warf die Gabel mitsamt dem Fleisch auf ihren Teller und sprang auf. Im nächsten Moment war sie aus der Küche gestürzt, und gleich darauf war zu hören, wie sie die Treppe hoch polterte und dabei laut schluchzte.
Hastig legte ich mein Besteck weg. Der Appetit war mir vergangen. Immerhin hatte ich vorher alles aufgegessen und geschmeckt hatte es auch. Wenigstens etwas.
»Annabel ist immer noch furchtbar im Stress wegen ihrer geplatzten Hochzeit.« Ich schob meinen Stuhl zurück und stand auf. »Ich schaue mal, was ich für sie tun kann.«
»Und ich kümmere mich um den Abwasch.« Sven stand ebenfalls auf, und da ich der Meinung war, dass es auf eine Minute mehr oder weniger nicht ankam, half ich ihm rasch beim Abräumen des Geschirrs.
»Bitte sagt mir, wenn ich sonst noch etwas für euch tun kann. Mir liegt wirklich daran, dass ihr euch alle hier wohl fühlt.«
Das nahm ich mit leisem Argwohn zur Kenntnis. Ich würde schon noch dahinter kommen, was ihn umtrieb, hier auf gutherzig zu machen. »Vielen Dank für den Wein und das leckere Fleisch«, sagte ich.
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