Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition)
ließ die Worte, die ich eben geäußert hatte, in mir nachklingen. Und dann merkte ich, dass ich wirklich nicht wusste, ob ich es so schlimm fand, wie alle Welt es anzunehmen schien.
»Am schlimmsten ist für mich, dass meine Hochzeit geplatzt ist«, sagte ich dann langsam. »Ich habe mich darauf gefreut, seit ich zwölf bin.«
»So lange hast du ihn schon geliebt?«
»Wie bitte?«, fragte ich. Mein Erstaunen über die scheinbar blöde Frage dauerte nur einen Sekundenbruchteil, dann schüttelte ich lachend den Kopf. »Das könnte man glatt denken, wenn man mich so reden hört, oder? Mein Fehler, tut mir Leid. Nein, ich hatte mich generell auf meine Hochzeit gefreut. Nicht speziell auf die Hochzeit mit Thomas, das hat sich erst später ergeben.« Ich schwieg für einen Moment und setzte dann mit fester Stimme hinzu: »Sehr viel später. Eigentlich haben wir uns erst vor ein paar Monaten dazu entschlossen.«
»Wie lief das denn ab?« In Svens Miene spiegelte sich eine Spur von Verlegenheit, ihm war anzusehen, dass es ihm nicht leicht fiel, die Frage zu stellen. Aber seine Neugier überwog offenbar sein Unbehagen. »Wie macht man das, wenn man heiraten möchte? Wie kommt man dahin? Macht man das immer noch auf die klassische Weise? Ich meine, hat er dir einen förmlichen Heiratsantrag gemacht, oder wie war es?«
Damit hatte er einen wunden Punkt bei mir berührt.
»Nicht direkt.« Meine Stimme klang eine Idee schroffer als beabsichtigt, doch ich konnte es nicht ändern. »Es hat sich einfach so ergeben.«
»Aha.« Er schaute nachdenklich drein, dann meinte er zögernd. »Und diese neue Hochzeit? Ist es nicht … ähm, ziemlich geschmacklos, ausgerechnet dich mit der Planung zu beauftragen?«
Von irgendwoher ertönte ein Knirschen, und ich merkte erst ein paar Augenblicke später, dass es meine Zähne waren. »Dieses aufgepumpte Luder hatte noch nie einen besonderen Sinn für Geschmack«, sagte ich mit schneidender Stimme. Eine Sekunde später stand ich in der Diele und hatte die Tür hinter mir zugeknallt.
Gleich darauf tat es mir Leid. Sven konnte nun wirklich nichts dafür, dass Serenas kompletter Verstand in ihren Busen gerutscht war. Wenn ich jemandem die Tür vor der Nase hätte zuknallen sollen, dann ihr. Oder Thomas.
Doch da gab es zum einen das Problem, dass sie beide nicht hier waren, und zum anderen war es dringend nötig, dass ich meiner Wut durch sofortiges körperliches ausagieren Luft machte, sonst kriegte ich am Ende Magengeschwüre wie meine Mutter. Wohin das führte, wusste ich: zu einem frühen Ende. Meine Mutter war zwar bei einem Unfall ums Leben gekommen, aber bestimmt hätte sie beim Fahren besser aufgepasst, wenn sie nicht ständig vor lauter unterdrücktem Ärger über meinen Vater Magenschmerzen gehabt hätte.
»Aber das ist doch überhaupt kein Problem, Herr Paulsen«, hörte ich in diesem Moment Paulines Stimme. »Wir haben genug Platz. Britta kann ohne weiteres eine Zeit lang bei Annabel im Zimmer schlafen. Soll ich Ihnen helfen, die Koffer raufzutragen?«
Ich fuhr auf dem Absatz herum, von blankem Entsetzen erfüllt.
*
Mein Vater war nirgends zu sehen, nur Paulines Rücken. Sie stand in der Zwischentür zum Windfang und unterhielt sich mit einem Besucher, der mir bestens bekannt war. Einen Moment später trat sie zur Seite, und er kam forsch in die Diele marschiert, in jeder Hand einen Koffer. Pauline machte Anstalten, ihm wie ein Hotelpage das Gepäck abzunehmen, doch er wehrte ab.
»Nicht doch, Pauline, das bisschen schaffe ich auch noch selbst. Ich darf Sie doch noch Pauline nennen, so wie früher, oder?«
»Ich bestehe sogar darauf, dass Sie mich duzen. Das haben Sie ja früher auch gemacht.«
»Gut. Aber nur, wenn du auch du zu mir sagst. Ich bin der Rudolf. Manche Leute nennen mich auch Rudi oder Rolfi.«
Rudi oder Rolfi sah mich vor der Küchentür stehen und blieb wie angewurzelt stehen.
»Guten Morgen, meine Taube.«
»Hallo.« Ich zeigte mit spitzem Finger auf die Koffer. »Was soll das werden?«
Er wand sich. »Ja, weißt du, das Haus muss unbedingt mal von oben bis unten renoviert werden, und da dachte ich, ich bleibe lieber so lange woanders.«
Aus dem Wohnzimmer kreischte die Säge, und durch die offenen Flügeltüren war zu sehen, dass die Handwerker neue Blenden für die Rollladenkästen zuschnitten.
Im Grunde war jeder Kommentar überflüssig, doch ich wollte sichergehen. »Hier wird auch renoviert. Und kein Mensch kann sagen, wie lange es
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