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Hände weg von Zeitmaschinen

Hände weg von Zeitmaschinen

Titel: Hände weg von Zeitmaschinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bester
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Überlebende. Jetzt gab es noch jemanden, ein freundliches Wesen, das er lieben und begleiten konnte. Neue Hoffnung stieg in ihm auf. »Hier, Junge!« schrie er erneut. »Umber, komm her!« Er schnalzte mit den Fingern. Die Dogge kam etwas näher und entblößte die Reißzähne. Die Zunge hing aus dem Maul. Der Hund war zum Skelett abgemagert. Die Augen glühten rot im Staub. Als Krane noch einmal rief, knurrte der Hund. Mit der Schnauze wirbelte er Asche auf.
    Er ist hungrig, das ist alles, dachte Krane. Er griff in den Rucksack, und bei dieser Bewegung knurrte der Hund erneut. Krane zog den Schokoladenriegel heraus, schälte ihn aus dem Papier und der Silberfolie. Mit schwacher Bewegung warf er ihn Umber vor die Füße. Aber der Riegel schlug viel zu früh auf. Nach einer Minute beklemmender Ungewißheit kam der Hund langsam näher und schnappte nach dem Futter. Asche lag wie feiner Staub auf seinem Maul. Er verschlang den Riegel achtlos und kam noch näher.
    Panik stieg in Krane auf. In seinem Unterbewußtsein flüsterte eine Stimme: »Das ist kein Freund. Er empfindet keine Zuneigung für dich. Zuneigung und Kameradschaft sind zusammen mit dem Leben von dieser Erde verschwunden. Außer dem Hunger ist nichts übriggeblieben.«
    »Nein«, flüsterte Krane. »Es ist nicht richtig, daß wir uns gegenseitig zerreißen und verschlingen sollen…«
    Aber Umber kam schräg auf ihn zugeschlichen. Seine Zähne blitzten scharf und weiß. Noch während Krane ihn anstarrte, knurrte der Hund und sprang.
    Krane stieß einen Arm unter die Schnauze des Hundes, aber Umbers Gewicht ließ ihn rückwärts stolpern. Er schrie schmerzerfüllt auf, als sein gebrochenes, angeschwollenes Bein dem Gewicht des Hundes widerstehen sollte. Mit seiner freien Hand schlug er immer und immer wieder auf den Hund ein, spürte dabei kaum den Biß der Fangzähne am linken Arm. Dann fiel er auf etwas Metallisches und begriff, daß er auf dem Revolver lag, den er fallen gelassen hatte.
    Er tastete danach und betete, daß die nasse Schlacke ihn nicht unbrauchbar gemacht hatte. Als Umber vom Arm abließ und nach der Kehle schnappte, bekam Krane den Revolver zu fassen und richtete die Mündung einfach auf den Körper des Hundes. Er zog den Abzug so lange durch, bis statt der peitschenden Detonationen nur noch das leise Klicken der leeren Kammern zu hören war. Umber zuckte in der Asche vor ihm. Die Kugeln hatten den Körper beinahe in zwei Hälften gerissen. Das Grau der Asche färbte sich dunkelrot.
    Evelyn und Hallmyer sahen traurig auf das tote Tier hinab. Evelyn weinte, und Hallmyer fuhr mit der vertrauten Geste durch sein schütteres Haar.
    »Das ist das Ende, Steven«, sagte er. »Du hast ein Stück von dir selbst getötet. Oh, du wirst noch ein wenig leben, aber dir wird etwas fehlen.
    Am besten begräbst du den Körper, Steven. Er ist die Leiche deiner Seele.«
    »Das kann ich nicht«, sagte Krane. »Der Wind wird die Asche wieder fortwehen.«
    »Dann verbrenne ihn«, befahl Hallmyer mit traumhaft sicherer Logik.
    Die beiden schienen ihm dabei zu helfen, den Hund im Rucksack zu verstauen, und auch dabei, sich auszuziehen und die Kleider darunter zu legen. Sie hielten die Hände so lange um die Streichhölzer, bis die Kleider Feuer fingen, und bliesen dann in die schwache Flamme, damit sie knisterte und hell aufloderte. Krane kniete neben dem Feuer und achtete darauf, daß es nicht verlosch. Dann wandte er sich ab und kroch wieder in Richtung Meer. Jetzt war er nackt. Von dem, was die Erde einst bedeckt hatte, war nur noch sein winziges, flackerndes Leben übrig.
    Der Kummer betrübte ihn zu sehr, als daß er auf den heftigen Regen geachtet hätte, der auf ihn niederschlug, oder auf den stechenden Schmerz, der von seinem bereits schwarz gewordenen Bein durch den ganzen Körper drang. Er kroch. Ellbogen, Knie, Ellbogen, Knie… Hölzerne, mechanische, geistlose Bewegungen. Er achtete nicht mehr auf den schieferfarbenen Himmel, die trockene, staubige Ebene, noch nicht einmal auf den stumpfen Glanz des Wassers vor ihm. Er wußte, daß es das Meer war – das, was vom alten Meer übriggeblieben war oder auch ein neuer Ozean, der in der Entstehung begriffen war. Aber es würde ein lebloses, leeres Meer sein, das eines Tages gegen eine trockene, ebenso leblose Küste schlagen würde. Die Erde würde ein Planet der Steine und des Staubes sein, des Metalls, des Schnees, des Eises und des Wassers, aber das war auch schon alles. Es gab kein Leben mehr. Er

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