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Hände weg von Zeitmaschinen

Hände weg von Zeitmaschinen

Titel: Hände weg von Zeitmaschinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bester
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worden waren. Ich dachte: ›Mann, das ist ja ganz genauso wie in der Krimiserie, die ich jede Woche produziere. Spielen wir das Manuskript mal durch.‹ Also sagte ich: ›Nun kommen Sie schon herein; leisten Sie dem Mörder etwas Gesellschaft.‹« Er schwieg.
    »War sie tot… Freyda?«
    »Es hat überhaupt keinen Mord gegeben«, sagte Bacon leise. »Es gab auch keine Freyda. Die Wohnung lag im zehnten Stock des Kingston Hotels. Eine Feuerleiter existierte nicht. Nur die Eingangstür, und davor standen die Bullen und die Schaulustigen. Außer mir, einem nackten, schwitzenden und schreienden Verrückten, war niemand in der Wohnung.«
    »Sie war verschwunden? Wohin? Wie? Das ergibt doch alles keinen Sinn.«
    Er schüttelte den Kopf und starrte mit plötzlicher Verwirrung auf den Tisch. Nach einer geraumen Weile redete er weiter. »Freyda hat mir nichts außer einem verrückten Erinnerungsstück zurückgelassen. In jenem Kampf, den wir ausgetragen haben, muß sie es verloren haben – jenem Kampf, von dem jeder sagt, er habe gar nicht stattgefunden. Das Zifferblatt ihrer Uhr.«
    »Was ist denn so verrückt daran?«
    »Es zeigte im Zweierabstand die Ziffern zwei bis vierundzwanzig. Zwei, vier, sechs, acht, zehn… und so weiter.«
    »Vielleicht war es eine ausländische Uhr. In Europa benutzt man das Vierundzwanzig-Stunden-System. Ich will damit sagen, Mittag ist zwölf Uhr, ein Uhr ist dreizehn Uhr, und…«
    »Was denken Sie eigentlich von mir?« unterbrach Bacon müde. »Schließlich war ich in der Armee. Das weiß ich auch. Aber ich habe noch nie solch ein Zifferblatt gesehen. Keiner benutzt so etwas. Es kommt nicht von dieser Welt. Und das meine ich wörtlich.«
    »Ja? Wie?«
    »Ich habe sie wiedergesehen.«
    »Freyda?«
    Er nickte. »Ich traf sie wieder auf Coney Island – wie sie vor der Achterbahn wartete. Schließlich bin ich ja nicht dumm. Ich suchte und fand sie auch.«
    »Hatte sie Verletzungen davongetragen?«
    »Keine Spur. Sie war wieder so frisch und jungfräulich wie zuvor, obwohl nur ein paar Wochen vergangen waren. Dort stand sie, diese Schwarze Witwe, die die Fliegen ertastet, die von der Achterbahn herunterkommen. Ich folgte ihr und hielt sie fest. Dann zog ich sie in das Gäßchen zwischen den Zelten der Freaks und sagte: ›Einen Ton, und du bist dieses Mal wirklich tot.‹«
    »Wehrte sie sich?«
    »Nein«, gab Bacon zurück. »Sie mochte es. Sie sah aus, als habe sie soeben eine Million Dollar gefunden. Ihre Augen leuchteten richtig…«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Aber ich, als ich sie ansah… Als ich in dieses jungfräuliche Gesicht blickte, das verzückt aussah und lächelte, weil ich sie anschrie. ›Die Bullen schwören darauf, daß niemand außer mir in der Wohnung war‹, sagte ich. ›Und die Psychiater auch. Dich haben sie in das Reich meiner Einbildung verwiesen, und mich steckten sie eine Woche lang in die Gummizelle. Aber ich weiß, wie du aus der Wohnung gekommen und auch, wo du hingegangen bist.‹ Ja, das sagte ich.« Bacon schwieg und blickte mich an. Ich sah in seine Augen. »Wie betrunken sind Sie?« fragte er. »Betrunken genug, um alles zu glauben.«
    »Sie ging durch die Zeit«, meinte Bacon. »Verstehen Sie? Durch die Zeit. In eine andere Zeit hinein. In die Zukunft. Sie schmolz und verschwand einfach.«
    »Wie bitte? Zeitreise? So betrunken, um das zu glauben, bin ich allerdings noch nicht.«
    »Zeitreise.« Er nickte. »Darum hatte sie auch diese Uhr – irgendeine Zeitmaschine. Deshalb kam sie so schnell wieder in Ordnung. Sie blieb für ein Jahr in der Zukunft und kehrte dann einfach wieder in das Jetzt zurück – in das Jetzt vierzehn Tage danach. Und deshalb sagte sie ›Sigma, Liebling‹. So reden sie dort oben.«
    »Moment mal, Eddie…«
    »Deshalb wollte sie auch, daß ich sie beinahe umbringe.«
    »Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn. Sie wollte, daß Sie ihr weh tun?«
    »Wenn ich es doch sage. Das liebte sie. Sie alle lieben es. Diese Schweinehunde kommen hierher, wie wir zum Jahrmarkt auf Coney Island fahren. Sie kommen nicht hierher, um die Vergangenheit zu studieren oder um Forschungen zu betreiben, wie man das in diesem Science-Fiction-Kram liest. Unsere Zeit ist der Vergnügungspark der Zukunft – das ist es. Wie eine Achterbahn.«
    »Was meinen Sie mit der Achterbahn?«
    »Leidenschaft. Emotionen. Schrille Schreie. Haßliebe und Furcht und Vergnügen. Das ist ihre Achterbahn. So zerstreuen sie sich. In der Zukunft muß dieses Gefühl

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