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Hände weg von Zeitmaschinen

Hände weg von Zeitmaschinen

Titel: Hände weg von Zeitmaschinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bester
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der versucht, mich zu stören, verschwindet. Daß er weit, weit weggeht und mich für immer allein läßt.«
    Mitten auf der Maple Park Road stieß Marion Perkin Warbeck den Atem tief aus, trat einen Schritt vor und begann hysterisch zu schreien. Und dann war er irgendwo anders, ging eine weit entfernte Straße entlang. Sie war milchigweiß und schnitt durch tiefe Schwärze, dehnte sich bis in die Unendlichkeit aus – eine schreckliche, einsame, endlose Straße, die immer und immer weiter in das Nichts hineinführte. Über diese Straße ging Warbeck mit mechanischen Bewegungen, unfähig zu sprechen, stehenzubleiben oder in der zeitlosen Unendlichkeit zu denken. Vor ihm erspähte er winzige Punkte, Gestalten, die gleich ihm auf dieser Einbahnstraße in die Ewigkeit gefangen waren. Einer dieser Punkte mußte Herod sein, und davor befand sich Joe Davenport. Und vor diesem sah er eine lange, lange Reihe madengroßer Gestalten, die sich dahinschlängelte. Weit hinter ihm schälte sich eine Gestalt aus dem Nichts, und noch eine materialisierte und noch eine und noch eine… Inzwischen kroch Stuart Buchanan aus dem Gewirr der Mülltonnen hervor und wartete atemlos »darauf«. Er wußte nicht, daß er Warbeck hatte verschwinden lassen, und er wußte auch nichts von Herod und Joe Davenport und einigen Dutzend anderen. Er wußte nicht, daß er seine Eltern dazu veranlaßt hatte, aus Washington zu fliehen, wußte nicht, daß er die Papiere, Dokumente und Erinnerungen der Menschen durch seinen einfachen Wunsch, allein gelassen zu werden, zerstört hatte. Er wußte nicht, daß er ein Genie war und ein besonderes Talent besaß. Das Talent, Wünsche wahr werden zu lassen.

Achterbahn
     
     
     
    Ich bohrte ein wenig mit dem Messer an ihr herum. Wenn man an den Rippen entlangschneidet, ist das zwar nicht gefährlich, schmerzt aber höllisch. Das Weiß der Klinge wurde langsam rot. Verwirrt drückte sie sich vor mir zurück und hatte dabei mehr Angst vor dem Messer als vor dem Schnitt. Es dauert sowieso ein paar Minuten, bis die Schmerzen kommen. Das ist das Schlechte an Messern. Sie werden stumpf, und die Schmerzen kommen nur langsam.
    »Hör zu, Liebes«, sagte ich. (Ich hatte ihren Namen vergessen.) »Das hier ist für dich bestimmt. Sieh es dir genau an.« Ich wedelte mit dem Messer umher. »Fühl mal!« Ich fuhr ihr mit der flachen Klinge über das Gesicht. Sie stolperte zum Sofa zurück, setzte sich und begann zu zittern. Darauf hatte ich nur gewartet. »Mach schon, du Hure. Antworte mir!«
    »David, bitte«, stieß sie hervor. Schade. Das war nicht so gut.
    »Ich geh ja schon«, meinte ich. »Du lausige Nutte. Du bist genau wie all diese anderen Flittchen.«
    »Bitte, David«, wiederholte sie leise. Hier war nichts los. Noch ein Versuch!
    »Stell dir mal vor, man kann dich für zwei Dollar die Nacht haben, und ich gebe dir zwanzig!« Ich zog das Geld aus der Tasche und blätterte ihr die Scheine in die Hand. Sie nahm sie nicht. Sie saß dort auf der Kante des Sofas, traurig und nackt, und Blutstropfen perlten aus ihr hervor, aber sie sah mich nicht an. Sie war dumm. Aber sie machte Liebe mit dem Mund. Mit ihren Fingernägeln pflegte sie mich wie eine Katze zu kratzen. Und jetzt… »Bitte, David«, sagte sie.
    Ich nahm das Geld und warf es ihr in den Schoß. »David, bitte«, sagte sie.
    Keine Tränen. Kein Schrei. Nichts los. Sie war unmöglich. Ich ging. Der ganze Ärger mit diesen Neurotikern liegt darin, daß man sich nicht auf sie verlassen kann. Man kümmert sich um sie, arbeitet mit ihnen, kommt langsam zum Höhepunkt. Manchmal machen sie mit, aber ebenso oft benehmen sie sich so dumm wie dieses Mädchen. Auf sie ist kein Verlaß.
    Ich schaute zur Uhr. Zwölf. Ich entschloß mich dazu, Gandry mal zu besuchen. Freyda arbeitete mit Gandry und würde wahrscheinlich dort sein und ihn auf den Höhepunkt vorbereiten. Ich benötigte einen Rat von Freyda und hatte nicht mehr viel Zeit.
    Ich ging die Sixth Avenue in Richtung Norden entlang – nein, es war die Avenue of the Americas –, wandte mich dann westwärts zur 50. Straße und kam am Mekka-Tempel entlang, nein, es war das New York City Center. Mit dem Fahrstuhl fuhr ich zu Gandrys Wohnung hoch und wollte gerade klingeln, als ich Gas roch. Es kam aus seinem Apartment.
    Ich kannte mich zu gut aus, um jetzt zu klingeln. Statt dessen holte ich meine Schlüssel heraus, preßte sie gegen den Rufknopf des Fahrstuhls, um jede eventuelle elektrostatische Ladung zu

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