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Hände weg von Zeitmaschinen

Hände weg von Zeitmaschinen

Titel: Hände weg von Zeitmaschinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bester
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ihn.«
    »Aber nun ist er kein Traum mehr«, lachte Oddy, »sondern Wahrheit. Ich kann ihn wahr werden lassen.«
    »Aber beginnen Sie mit dem Krieg«, sagte Migg säuerlich. »Natürlich«, meinte Oddy. »Zuerst der Krieg; aber dann machen wir weiter, oder nicht? Ich werde dafür sorgen, daß der Krieg niemals stattfindet, und dann legen wir erst richtig los. Nur wir fünf. Wir werden Großes erschaffen, und keiner außer uns wird davon wissen. Wir werden ganz gewöhnliche Menschen sein, aber wir werden das Leben für jeden schöner machen. Wenn ich wirklich ein Engel bin, wie Sie gesagt haben, dann werde ich den Himmel um mich herum verbreiten, so weit ich eben greifen kann.«
    »Aber beginnen Sie mit dem Krieg«, wiederholte Migg. »Der Krieg ist das erste Ereignis, das abgewendet werden muß, Oddy«, sagte Bellanby. »Wenn Sie nicht wollen, daß er geschieht, wird er niemals beginnen.«
    »Und Sie wollen diese Tragödie doch verhindern, nicht wahr?« fragte Johansen.
    »Ja«, gab Oddy zurück. »Natürlich.«
    Am 20. März brach der große Krieg aus. Das Hohe Komitee der Nationen und der Staatenbund Realpolitik auf Terra schlugen mit geballter Kraft los. Während auf jeden Schlag ein sofortiger Gegenschlag folgte, wurde Oddy eingezogen und absolvierte seine Grundausbildung. Am 3. Mai wurde er dann zum Nachrichtendienst überstellt. Am 24. Juni erhielt er das Kommando über die Truppen, die jene Ruinen durchsuchten, die einst Australien gewesen waren. Am 11. Juli wurde er zum Kommandanten der Raumflotte – besser von deren Überresten – befördert und hatte damit eine Karriere, für die andere fünfzig Jahre benötigen, in fünf Monaten durchlaufen. Am 19. September übernahm er das Oberkommando der Flotte und errang in der Parsek-Schlacht jenen Sieg, der die verheerende Zerstörung des Sonnensystems beendete, die später der »Sechs-Monate-Krieg« genannt wurde.
    Am 23. September machte Oddy Gaul einen Friedensvorschlag, der von den Überresten beider Wohlfahrtsstaaten akzeptiert wurde. Der Friedensvertrag beinhaltete die Ablösung der widerstreitenden Wirtschaftstheorien durch ein Konglomerat aus beiden und die Verschmelzung der beiden Staatengebilde zu einem einzigen, dem Solarstaat. Am 1. Januar wurde Oddy Gaul einmütig und unter großem Beifall zum immerwährenden Solon des Solar Staates gewählt.
    Und heute… heute ist er immer noch jugendlich, kräftig, stattlich, aufrichtig, idealistisch, freundlich, sympathisch und mild in seinen Urteilen. Er bewohnt den Solarpalast, ist unverheiratet, aber ein erstklassiger Liebhaber; ungezügelt, aber ein charmanter Gast und echter Freund; demokratisch, obwohl feudales Oberhaupt einer bankrotten Familie der Planeten, die Mißwirtschaft, Unterdrückung und Armut mit einem fröhlichen Jauchzen erträgt, das nichts als ein Hosianna zum Ruhme von Oddy Gaul singt.
    Kurz bevor Jesse Migg und seine drei Kollegen in den Solarpalast umzogen, um Oddy als Vertraute und Ratgeber zur Seite zu stehen, trafen sich die vier ein letztes Mal in den Clubräumen ihrer Fakultät. »Wir waren Narren«, sagte Migg bitter. »Wir hätten ihn töten sollen. Er ist kein Engel, sondern ein Monster. Zivilisation und Kultur… Philosophie und Ethik… das waren nur Masken, die Oddy aufgesetzt hat, Masken, die die primitiven Triebe seines Unterbewußtseins verbergen sollten.«
    »Meinen Sie, daß Oddy nicht aufrichtig zu uns war?« fragte Johansen schwermütig. »Wollte er diese Zerstörungen, diesen Verfall?«
    »Natürlich war er aufrichtig… im Bewußtsein! Er ist es immer noch. Er glaubt, daß er nichts tut, was nicht zum Besten für die meisten Menschen ist. Er ist ehrlich, freundlich und großzügig… aber nur im Bewußtsein.«
    »Ah! Das Id!« spuckte Hrrdnikkisch mit einem Atemschwall aus, als habe man ihn in den Magen getreten.
    »Verstehen Sie es nun? Anscheinend ja. Meine Herren, wir waren Dummkopfe. Wir haben den Fehler begangen anzunehmen, Oddy besäße die bewußte Kontrolle über seine Kraft. Doch das trifft nicht zu. Die Kontrolle dafür befindet sich immer noch unterhalb der Schwelle des bewußten Denkens. In seinem Id, seiner Identität, seinem Unterbewußtsein, diesem tiefen, dunklen Reservoir primitiver Selbstsucht, die in jedem Menschen begraben liegt.«
    »Also wollte er den Krieg«, sagte Bellanby.
    »Sein Id wollte den Krieg, Bellanby. Der Krieg war der schnellste Weg, das zu erreichen, was er wirklich wollte, was sein Id wirklich wollte – Herr des Universums zu sein

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