Hände weg von Zeitmaschinen
ersten Clown heraus, »du hast sie schon 5.271.009 mal beantwortet. God damn. Jetzt antworte noch einmal!«
»Warum?«
»Weil du es mußt. Pot au feu. Das ist das Leben, das wir leben müssen.«
»Leben nennst du das? Wenn wir immer und immer wieder das gleiche tun? Mädchen zublinzeln und sonst auf keinen grünen Zweig kommen?«
»Nein, nein, nein. Hinterfrage das nicht. Es ist eine Verschwörung, die wir nicht zu bekämpfen wagen. So ist das Leben, das jeder lebt. Jeder tut immer und immer wieder das gleiche. Es gibt keinen Ausweg.«
»Warum nicht?«
»Das wage ich nicht zu sagen; ich wage es einfach nicht. Vox populi. Andere haben diese Frage gestellt und sind verschwunden. Eine Verschwörung. Und ich habe Angst.«
»Angst wovor?«
»Vor unseren Besitzern.«
»Was? Wir werden besessen?«
»Si! Ach, ja! Wir alle, mein junger Mutant. Es gibt keine Wirklichkeit, kein Leben, keine Freiheit, keinen Willen. God damn, verstehst du nun? Wir sind… Wir alle sind Charaktere in einem Buch. Wenn das Buch gelesen wird, tanzen wir unseren Tanz; wenn es erneut gelesen wird, tanzen wir erneut. E pluribus unum. Soll sie nach christlichem Brauch begraben werden, so daß die Erlösung auf sie wartet?«
»Was sagst du?« schrie Halsyon in panischem Schrecken. »Wir sind Puppen?«
»Beantworte die Frage.«
»Wenn es keine Freiheit, keinen freien Willen gibt, wie können wir dann dieses Gespräch führen?«
»Jeder, der unser Buch liest, gibt sich Tagträumen hin, mein Bester. Idem est. Antworte endlich.«
»Das werde ich nicht tun. Ich werde revoltieren. Ich werde nicht mehr für unsere Besitzer tanzen. Ich werde ein besseres Leben finden… die Realität.«
»Nein, nein! Das wäre Wahnsinn!Jeffrey! Cul-de-sac!«
»Wir brauchen einzig und allein einen tapferen Anführer. Alles andere ergibt sich von allein. Wir werden die Verschwörung zerschlagen, die uns in ihren Griff preßt.«
»Das kann nicht geschehen. Gehe lieber auf Nummer Sicher. Antworte!«
Halsyon antwortete, indem er seinen Spaten nahm und ihn auf den Kopf des ersten Clowns niedersausen ließ, der dies jedoch nicht zu bemerken schien. »Soll sie nach christlichem Brauch begraben werden, so daß die Erlösung auf sie wartet?« fragte er.
»Revolte!« schrie Halsyon und schlug erneut auf ihn ein. Der Clown begann zu singen. Die beiden Herren erschienen. »Hat dieser Kerl kein Gefühl für Anstand?« sagte der eine. »Daß er singt, während er ein Grab aushebt?«
»Aufstand! Mir nach!« schrie Halsyon und schwang den Spaten gegen den Kopf des melancholischen Herren, der dieser Handlung jedoch keine Aufmerksamkeit schenkte und sich weiterhin mit dem ersten Clown und seinem Freund unterhielt. Halsyon wirbelte wie ein Derwisch umher und griff immer wieder mit seinem Spaten an. Der Herr nahm einen Schädel hoch und philosophierte über einen Menschen – oder deren mehrere – mit dem Namen Yorick.
Der Trauerzug kam. Halsyon griff ihn, herumwirbelnd und immer wieder zustoßend, an, kämpfte mit der heftigen Wut eines Träumenden. »Hören Sie auf damit, das Buch zu lesen!« schrie er. »Lassen Sie mich heraus. Können Sie mich hören? Lesen Sie das Buch nicht weiter! Ich will lieber in einer Welt sein, die ich selbst erschaffen habe. Lassen Sie mich heraus!«
Plötzlich ertönte ein mächtiges Donnergrollen, als ob die Seiten eines riesigen Buches zugeklappt würden. Im nächsten Augenblick schwebte Halsyon durch die dritte Abteilung des siebenten Kreises des Infernos im vierzehnten Kapitel der Göttlichen Komödie, wo die Sünder wider die Kunst von Flammen geplagt wurden, die auf ewig auf sie niederprasseln. Dort kreischte er lauthals, bis er genug Amüsement erregt hatte. Dann gestattete man ihm, einen eigenen Text zu schreiben, und er formte eine neue Welt, eine romantische Welt, die Welt seiner kühnsten Träume…
Er war der letzte Mensch der Erde.
Er war der letzte Mensch auf der Erde, und er weinte jämmerlich. Die Hügel, die Täler, die Berge und Flüsse, alle waren sie sein, gehörten allein ihm; dennoch weinte er jämmerlich.
Fünf Millionen zweihunderteinundsiebzigtausendundneun Häuser boten ihm Unterschlupf, 5.271.009 Betten warteten darauf, daß er in ihnen schlafe. Die Läden boten ihm Nahrung, alle Juwelen der Welt gehörten ihm. Die Spielzeuge, die Werkzeuge, die Spiele, die Gegenstände des täglichen Bedarfs, die Luxus waren… alles gehörte dem letzten Mann der Erde, der jämmerlich weinte.
Er verließ die ländlichen
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