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Hände weg von Zeitmaschinen

Hände weg von Zeitmaschinen

Titel: Hände weg von Zeitmaschinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bester
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Kleider sich befanden. Beim Frühstück war es nicht anders, aber nun war nicht die richtige Zeit dafür, seiner Mutter zu erklären, er sei es gewohnt, den Tag mit Irish Coffee zu beginnen. Und er vermißte seine Morgenzigarette. Er hatte keine Ahnung, wo seine Schulbücher waren. Als er aus dem Haus ging, war seine Mutter schon ganz durcheinander.
    »Jeff ist heute ganz durcheinander«, hörte er sie murmeln. »Ich will nur hoffen, daß er in der Schule klarkommt.«
    Der Tag begann damit, daß Rennahan ihn am Schuleingang anpöbelte. Halsyon erinnerte sich an ihn als einen bulligen Jungen mit unintelligentem Gesichtsausdruck. Er war erstaunt, als er sah, daß Rennahan groß und hager war – und wegen einiger unterdrückter Erlebnisse überaus aggressiv.
    »He, eigentlich bist du mir gar nicht feindlich gesinnt«, rief Halsyon aus. »Du weißt nur nicht, was du eigentlich willst, und versuchst, irgendwem etwas zu beweisen.« Rennahan schlug ihn.
    »Hör mal zu, Kleiner«, sagte Halsyon freundlich. »Du willst eigentlich gut Freund mit der ganzen Welt sein. Du bist nur unsicher. Deshalb fängst du immer wieder Streit an.«
    Rennahan war für solch eine Analyse taub. Er schlug Halsyon noch einmal. Es tat weh.
    »Laß mich in Ruhe«, sagte Halsyon. »Beweise dich an einem anderen.«
    Rennahan trat mit zwei schnellen Bewegungen Halsyons Bücher auf den Boden und schlug zu. Er hatte keine andere Möglichkeit und mußte kämpfen. Aber all die Jahre, in denen er Joe Louis auf dem Bildschirm beobachtet hatte, zeigten keine Auswirkungen. Er verlor glatt nach Punkten und kam auch zu spät zur Schule. Nun hatte er jedoch eine Chance, seine Lehrer zu verblüffen.
    »Entschuldigung«, erklärte er Miß Ralph, der Lehrerin der fünften Klasse, »aber ich hatte ein unerfreuliches Zusammentreffen mit einem Neurotiker. Über seine Zwangsvorstellungen kann ich nichts sagen, dafür ist sein linker Haken aber nicht zu verachten.« Miß Ralph gab ihm eine Ohrfeige und schickte ihn zum Direktor. Solch eine Unverschämtheit sei ihr noch nicht untergekommen. »Die Psychoanalyse ist wohl noch nicht bis zu dieser Schule vorgedrungen«, sagte Halsyon zu Mr. Snider. »Wie können Sie vorgeben, kompetente Lehrer zu haben, wenn Sie…«
    »Verdammter Lausebengel!« unterbrach ihn Mr. Snider ärgerlich. Er war groß, hager und verbittert. »Also hast du schmutzige Bücher gelesen, he?«
    »Was, zum Teufel, ist denn schmutzig an Freud?«
    »Und deine Sprache! Du hast eine Lektion verdient, du kleiner Schmutzfink.«
    Man schickte ihn nach Hause und gab ihm einen Brief mit, in dem eine baldige Unterredung mit seinen Eltern gefordert wurde. Ihr Sohn laufe Gefahr, von der Schule geworfen zu werden, wenn der Verrohung seiner Sprache und seiner Manieren nicht baldigster Einhalt geboten werde.
    Aber anstatt nach Hause, ging er zu einem Kiosk, um in den Zeitungen nachzusehen, auf welche Ereignisse er Wetten abschließen könne. Die Überschriften widmeten sich fast alle den Football-Meisterschaften. Aber wer hatte sie im Jahre 1931 gewonnen? Und die Tabelle? Er konnte sich einfach nicht daran erinnern. Die Börsenkurse? Davon wußte er auch nichts mehr. Als Kind hatte er sich nie sonderlich dafür interessiert. In seinen Erinnerungen war nichts, auf das er hätte zurückgreifen können.
    Er versuchte, in der Stadtbibliothek weitere Nachforschungen zu betreiben, aber die Bibliothekarin, eine große, hagere, verbitterte Frau, wollte ihn erst am Nachmittag, zur täglichen Stunde für Kinder, einlassen. Also bummelte er auf den Straßen umher. Doch überall, wo er sich herumtrieb, wurde er von hageren und verbitterten Erwachsenen fortgescheucht. Er begann zu begreifen, daß die Möglichkeiten eines zehnjährigen Jungen, die Welt in Erstaunen zu versetzen, eher beschränkt waren.
    Nach Schulschluß wartete er auf Judy Field und begleitete sie nach Hause. Ihre knochigen Knie und ihr trockenes, gewelltes schwarzes Haar stießen ihn ab. Er mochte auch ihren Geruch nicht. Ihre Mutter jedoch – die das Abbild jener Judy war, an die er sich erinnerte – nahm ihn sehr für sich ein. Er vergaß sich aber und sagte ein oder zwei Dinge, die sie völlig verwirrten. Schließlich warf sie ihn hinaus und rief seine Mutter an. Ihre Stimme zitterte vor Erregung.
    Halsyon ging den Hudson entlang und trieb sich auf den Docks herum, bis er fortgescheucht wurde. Er ging in einen Laden und erkundigte sich, ob er dort eine Schreibmaschine mieten könne, und wurde hinausgejagt.

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