Hände weg von Zeitmaschinen
Gebiete von Connecticut, die er sich als Wohnsitz ausgesucht hatte, durchquerte weinend Westchester, rannte südwärts auf dem, was einst der Hendrick-Hudson-Highway gewesen war, und weinte dabei. Heulend ging er über die Brücke nach Manhattan, rannte heulend an den einsamen Wolkenkratzern, den Geschäften und Spielhallen vorbei. Weinend erreichte er die Fifth Avenue, und an der Straßenecke zur 50. Straße erblickte er ein menschliches Wesen. Sie lebte und atmete; eine wunderschöne Frau, groß, mit schwarzen lockigen Haaren und wundervoll langen Beinen. Sie trug eine weiße Bluse, eine Tigerfellhose und Lederstiefel. Sie hatte ein Messer, und in einem Halfter an der Hüfte steckte ein Revolver. Aus einer Büchse löffelte sie gekochte Tomaten und starrte Halsyon dabei ungläubig an. Er lief zu ihr.
»Ich dachte, daß ich der letzte Mensch der Erde sei«, sagte sie. »Du bist die letzte Frau«, heulte Halsyon. »Und ich bin der letzte Mensch. Bist du eine Zahnärztin?«
»Nein«, sagte sie. »Ich bin die Tochter des unglücklichen Professors Field, dessen gutgemeinte, aber unter einem schlechten Stern stehende Experimente in Strahlungstechnik die Menschheit vom Antlitz der Erde weggewischt haben – bis auf uns beide, was zweifellos an einer mysteriösen Mutation unseres Make-ups liegt, die uns verändert hat. Wir sind die letzten der alten und die ersten der neuen Zivilisation.«
»Hat dein Vater dir etwas über Zahnmedizin beigebracht?«
»Nein«, sagte sie.
»Dann leih mir mal kurz deine Pistole.«
Sie nahm den Revolver aus dem Halfter und gab ihn Halsyon. Dabei hielt sie ihr Gewehr schußbereit. Halsyon entsicherte den Revolver. »Ich wünschte, du wärest eine Zahnärztin«, meinte er. »Ich bin eine wunderschöne Frau mit einem IQ von 141, der wichtiger für die Erschaffung einer wackeren neuen, schönen Menschenrasse ist, die unsere gute grüne alte Erde wieder bevölkern wird«, erwiderte sie. »Aber nicht bei meinen Zahnschmerzen!« heulte Halsyon, hielt den Revolver gegen die Schläfe, drückte ab und zerfetzte sein Gehirn.
Er erwachte mit bohrenden Kopfschmerzen. Er lag neben dem Stuhl auf der Estrade und hatte seinen brummenden Schädel gegen den kühlen Boden gedrückt. Mr. Aquila war hinter dem ledernen Schutzschild hervorgekommen und wedelte mit einem großen Fächer umher, um die Luft ein wenig zu reinigen.
»Bravo, Leber mit Zwiebel und Apfelscheiben«, kicherte er. »Den letzten hast du selbst erschaffen, nicht? Ohne jede Hilfe. Meglio tarde che mai. Aber du bist vom Stuhl gefallen, bevor ich dich auffangen konnte. God damn!«
Er half Halsyon auf die Füße und führte ihn in das Konferenzzimmer, wo er ihn auf einen echt antiken Stuhl setzte und ihm ein Glas Brandy gab.
»Garantiert frei von Drogen«, sagte er. »Noblesse oblige. Nur erstklassiger spiritus frumenti. Jetzt wollen wir darüber sprechen, was wir getan haben, nicht wahr? Jeez.«
Er nahm hinter dem Schreibtisch Platz, immer noch lebhaft und verbittert, und betrachtete Halsyon freundlich. »Der Mensch lebt von seinen Entscheidungen, n’est-ce pas?« begann er. »Wir stimmen zu, oui? Im Laufe seines Lebens muß ein Mensch etwa fünf Millionen zweihunderteinundsiebzigtausendundneun Entscheidungen treffen. Pest! Ist das eine Primzahl? Nicht wichtig. Stimmst du mir zu?« Halsyon nickte.
»Nun, mein Bester, von der Reifheit dieser Entscheidungen hängt es ab, ob ein Mann ein Mann oder ein Kind ist. Isn’t it? Malgre nous. Ein Mann kann nicht eher erwachsene Entscheidungen treffen, bevor er sich von den Träumen der Kindheit befreit hat. God damn. Diese Phantasien müssen verschwinden.«
»Nein«, sagte Halsyon langsam. »Diese Träume machen meine Kunst aus. Diese Träume und Phantasien setze ich in Linien und Farben um.«
»God damn! Ja, zugestanden. Maître d’hotel: Aber erwachsene Träume, nicht solche von Kindern. Babyträume. Pfui! Alle Männer haben sie… Der letzte Mensch auf der Erde zu sein, um die Erde zu besitzen… Der letzte potente Mann auf der Erde zu sein, um alle Frauen zu besitzen… Mit dem Wissen eines Erwachsenen in die Kindheit fliehen und Siege erringen… Der Realität zu entkommen, indem man glaubt, das Leben sei nur ein Traum… Der Verantwortung zu entkommen, indem man sich Phantasien mit heroisch ertragenen Ungerechtigkeiten, einem Märtyrertum mit gutem Ausgang hingibt… Und es gibt noch viele hundert solcher beliebter Träume. Gott segne Vater Freud und seine lustigen Gefolgsleute.
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