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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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Sebastian meinte, Falco zu hören, doch das war wohl nur Wunschdenken. Ein weiteres Wiehern! Sebastian lief zurück in die Küche, löschte das Licht und sah aus dem Fenster. Dabei hielt er die Schrotflinte fest umklammert. Sein Herz schlug dumpf in seiner Brust, während er in die Dunkelheit starrte. Auf dem Hof rührte sich nichts. Auch die Pferde schienen sich beruhigt zu haben. Sebastian zog einen Stuhl heran, setzte sich auf die vordere Kante, lehnte sich mit den Ellenbogen auf den Heizkörper und sah weiterhin hinaus. Minuten vergingen. Nach und nach kehrte die Müdigkeit in seinen Kopf zurück. Als er schließlich aus einem Sekundenschlaf hochschreckte, entschied Sebastian, wieder ins Bett zu gehen – diesmal mit dem Gewehr!
    Er hatte die Küche kaum verlassen, da kehrte der Riese zurück. Plötzlich war er in seinem Kopf, dort, wo er sich seit seiner Kindheit versteckt hielt. Nun aber zeigte er sich mit aller Macht und ohne Gnade. Tränen schossen ihm in die Augen, sein Magen zog sich zusammen, eine feste Klammer legte sich um seinen Hals. Sebastian wollte sich auf dem Gewehr abstützen, ging aber auf die Knie, ließ das Gewehr fallen und stützte sich mit den Händen ab. Übelkeit stieg in ihm auf. Er fühlte sich wie ein Fremder in seinem eigenen Kopf und Körper, war zum Zuschauer degradiert, eingesperrt in eine kleine Kammer mit winzigem Fenster, von dem aus er alles mit ansehen konnte, ohne jedoch eingreifen zu können. Niemals zuvor im Leben hatte Sebastian sich derart hilflos gefühlt.

    Das ist mein Kopf, mein Körper, mein Leben, verschwinde endlich daraus!
    Ein armseliger Versuch, der zu nichts weiter führte, als dass die Klammer um seinen Hals sich ein wenig lockerte und Sauerstoff in seine Lunge strömen konnte. Nicht viel! Gerade eben genug, damit er mithilfe des Gewehrs als Stütze auf die Beine kam. Dabei wollte er gar nicht aufstehen. In seiner kleinen Kammer spürte Sebastian, dass schlimme Dinge geschehen würden, wenn er aufstand. Er trommelte mit den Fäusten gegen das imaginäre Fenster, schrie, brüllte, ohne jedoch gehört zu werden. Da war niemand, der ihm hätte helfen können. Also taten seine Beine, was der Riese im Kopf ihnen befahl. Wuchteten seinen Körper hoch, hielten ihn zitternd aufrecht.
    Verschwinde aus meinem Kopf, du Teufel!
    Keine Reaktion. So sehr Sebastian es auch versuchte, so sehr er sich auch gegen diese Kraft stemmte, war es doch so, als taumele er durch dichten Nebel, und egal, in welche Richtung er ging, stieß er doch nach wenigen Schritten gegen die Wände seiner kleinen Kammer. Er war tatsächlich in sich selbst gefangen!
    Der Riese, oder was auch immer von ihm Besitz ergriffen hatte, zwang ihn, in Richtung Haustür zu gehen. Jeder Schritt war dabei eine Qual, denn jeden einzelnen versuchte Sebastian zu verhindern, und schaffte es doch nicht. Immer näher rückte die neue Tür mit ihren Sicherheitsstahlbolzen, die nichts, aber auch rein gar nichts auszurichten vermochten. Schon griff er zum Schlüssel, der noch im Schloss steckte. Geschmeidig und gut geölt glitten die Bolzen zurück. Ein Handgriff noch, nur noch die Klinke herunterdrücken, dann würde das Böse ins Haus eindringen, würde sich Saskia holen.

    Als er ihren Namen dachte in seiner kleinen Kammer und durch das Fenster kurz ihr Gesicht sehen konnte, da zitterte seine Hand, die schon auf der Klinke lag. Für den Zeitraum eines Lidschlags hatte Sebastian das Gefühl, sich mit Saskias Hilfe gegen den Riesen wehren zu können, doch kaum war der Lidschlag vorbei, öffnete er mit einem Ruck die Tür.
    In der nun tiefschwarzen Nacht bemerkte er sofort das schwache Flackern und den leichten Brandgeruch, der die klare Nachtluft durchdrang. Irgendwo hinter dem Stall versteckt reichte das Feuer dennoch aus, ihm als Signalfeuer zu dienen, nach dem er unfreiwillig seine Schritte richten konnte. Vorsichtig stieg er die vier Stufen hinunter. Der Boden war noch aufgeweicht vom Gewitterregen, seine nackten Füße sanken in den Matsch, der zwischen seinen Zehen hervorquoll. Unabänderlich zog es ihn auf das Flackern zu. Das Schrotgewehr fest in den Händen ging er um die Ecke des Stallgebäudes an der Giebelseite entlang und erreichte die hintere Ecke, von der aus er in den geschützten Bereich zwischen Stall und Anbau blicken konnte.
    Dort war das Feuer! Und in dessen Schein saß eine große, massige Gestalt auf dem Boden. Der Riese! Es musste der Riese sein! Aber was tat er da? Saß an dem kleinen, flackernden

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