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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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Tiefen ihrer Erinnerung alles erneut durchlebte. Am Rande bemerkte er, dass ein menschliches Gesicht in wenigen Minuten um Jahre altern konnte.
    »Essen war tatsächlich ein Teil ihrer Probleme. Sie aß nicht, sie fraß, aber damit hätten wir ja leben können. Was an jenem Tag geschah, war jedoch so furchtbar, dass es zu einer unerträglichen Bürde wurde … vor allem für Peter.
    Als er abends nach Haus kam, standen die Nachbarn am Zaun vor seinem Grundstück. Sie waren wütend und kurz davor, die Polizei zu rufen. Ein paar Kinder aus der Straße hatten sie gefunden … leider, die armen Kinder. Die Katze einer Familie aus der Nachbarschaft, mit einer Mistforke erstochen, direkt vor Peters Gartenpforte … alles war voller Blut!«
    Uwe gab einen zischenden Laut von sich und warf Edgar einen schnellen Blick zu. Die Sorgenfalten an seiner Stirn wurden zu tiefen Gräben.
    »Warte … da komme ich nicht ganz mit. Sie erschlug ihren Mann mit einem Bügeleisen, weil sie meinte, er würde
ihr das Kind wegnehmen, richtig? Okay, das mag für einen verrückten Geist ja nachvollziehbar sein, aber warum die Katze?«
    »Kennst du nicht diese alte Geschichte, die man sich über Katzen erzählt?«
    »Nein. Was für eine alte Geschichte?«
    Anna holte tief Luft.
    »Katzen schleichen sich nachts in die Zimmer kleiner Kinder, springen aufs Bettchen und rauben den Kleinen im Schlaf den Atem. Das war früher eine Erklärung für den plötzlichen Kindstod.«
    Uwe sah Anna aus großen Augen an, schüttelte aber nur den Kopf.
    »Peter bat mich damals nach diesem Vorfall, ihm zu helfen. Er fand keinen Zugang zu Ellie und arbeitete immer länger, nur um nicht so oft zu Hause sein zu müssen. Ich bin dann zwei- oder dreimal in der Woche dort gewesen, und obwohl Ellie und ich immer ein recht gutes Verhältnis gehabt hatten, wurde es auch für mich zunehmend schwierig. Sie ließ sich einfach nicht davon abbringen, dass ihr ungeborenes Kind in Gefahr sei. Eines Tages ertappte ich sie dabei, wie sie den gesamten Fußboden des künftigen Kinderzimmers mit Mehl bestäubte.«
    »Mit Mehl?«
    »Ja. Sie wollte mir beweisen, dass sich nachts jemand in den Raum schlich.«
    »Um was zu tun? Das Kind war doch noch nicht geboren, oder?«
    »Was genau los war, konnte oder wollte Ellie mir nicht erklären. Wäre ich damals aufmerksamer gewesen, hätte ich sie mehr gedrängt, dann hätte ich vielleicht herausbekommen, dass sie Peter verdächtigte, ihren eigenen Mann.
Vielleicht wäre es dann nicht so weit gekommen. Aber das war so völlig absurd …«
    Anna brach ab, stützte schwer ihren Kopf in die Hände und verbarg ihr Gesicht vor den anderen. Edgar rutschte ein wenig näher an sie heran und legte ihr einen Arm um die Schulter.
    »Das war eine schwere Zeit damals, und es hat lange gedauert, es zu vergessen«, sagte er, und strich seiner Frau über den Rücken. »Nein, das ist nicht ganz richtig … vergessen haben wir es eigentlich nie, aber so weit weggesperrt wie möglich. Dass es jetzt wieder hervorgeholt werden muss, ist für Anna sehr, sehr schwer.«
    Uwe nickte. »Klar, verstehe ich, aber … Na ja, wenn ich mich für euch umhören soll, muss ich schon etwas mehr wissen. Solange es keine offizielle Ermittlung ist, kann ich nämlich nicht viel Zeit dafür aufbringen.«
    Anna hob ihren Kopf. Geweint hatte sie nicht, doch erneut schien sie um Jahre gealtert. »Du musst es ernst nehmen, Uwe, hörst du! Wenn es Ellie war, die Taifun getötet hat und diese Briefe schreibt, dann, dann … Großer Gott, ich mag es mir gar nicht vorstellen.«
    Uwe streckte seine große Hand aus, legte sie über Annas kleine, zierliche und drückte sie. »Ich nehme das ernst, verlass dich darauf.«
    Sie blickte ihm tief in die Augen. »Gut … gut«, sagte sie dann und entspannte sich etwas.
    Ihre Schultern sackten nach vorn, sie holte Atem, um weiterzusprechen. »Nach dem Mord an Peter verschwand sie spurlos. Ein Arbeitskollege, mit dem Peter verabredet war, fand ihn zwei Tage später. Edgar und ich waren zu einer Züchterausstellung in Verden, also hatte ich vier Tage nicht nach Ellie sehen können. Drei Jahre lang fand die Polizei
nicht die geringste Spur. Dann beschwerte sich eines Tages ein Jagdpächter im Schwarzwald, eine seiner Jagdhütten würde unbefugt bewohnt und die Person trotz Aufforderung nicht öffnen. Eine Streife wollte das kontrollieren und wurde aus der Hütte heraus beschossen. Danach gab es einen Großeinsatz, bei dem Ellie getötet und ein kleiner

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