Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein
Junge in Obhut genommen wurde … Sebastian.«
»Und dann habt ihr ihn adoptiert.«
Anna nickte, sah auf ihre Hände hinab. »Trotz allem war sie meine Schwester und der Junge also ein Verwandter … Mittlerweile wussten wir auch, dass ich niemals eigene Kinder bekommen würde. Die Entscheidung war eigentlich nicht schwer, und wir haben sie niemals bereut. Ganz im Gegenteil, ich habe Gott sogar dafür gedankt, in jedem Gebet seit damals, auch dafür, dass er Sebastian die Erinnerung daran genommen hat. So konnte er voll und ganz mein Sohn werden.«
»Ihr habt es ihm nie gesagt?«, fragte Uwe, obwohl er die Antwort bereits kannte.
Annas Kopf ruckte hoch, sie starrte ihn an. »Nein, um Gottes willen, wie hätten wir das tun können!«
Uwe nickte, räusperte sich und nahm den Brief hoch. »Aber was macht dich so sicher, dass er von ihr ist? Eben hast du gesagt, sie wäre bei dem Einsatz getötet worden, und die Person hier wird mit Hans angesprochen, nicht mit Sebastian.«
»Ich weiß, ich weiß … Anfangs war es auch nur so ein dumpfes Gefühl, aber jetzt, nach dieser Sache mit Taifun …« Anna ließ den Satz unvollendet und griff nach der Hand ihres Mannes. »Ich habe wirklich Angst … Ich glaube, sie will mir mein Kind nehmen.«
»Nun mal langsam. Das mit Taifun kann ein Zufall sein.
Ich sage euch, was ich tun werde. Ich nehme den Brief mit und lasse ihn untersuchen, das müsste ich offiziell hinkriegen. Taifun bringen wir zu einem Tierarzt, der mir noch etwas schuldig ist, vielleicht findet der was Interessantes heraus. Von dem Stiel der Forke müsste man Fingerabdrücke nehmen können. Wir werden das Schwein schon finden, und wenn ich von jedem aggressiven Hammel im Ort die Prints nehmen muss.«
»Und was sollen wir solange tun?«, fragte Anna.
»Wachsam sein und abends die Tür gut verschließen. Ich lasse euch meine Handynummer da, auf der könnt ihr mich jederzeit erreichen. Aber ich würde mir nicht zu viel Sorgen machen … Wer einem Hund so etwas antut, ist feige. Der traut sich an Menschen nicht ran.«
Anna seufzte und schloss ihre Hand fest um die ihres Mannes. »Dein Wort in Gottes Ohr.«
»Du musst uns noch etwas versprechen«, sagte Edgar, stand auf und kam um den Tisch herum.
Uwe Hötzner erhob sich ebenfalls. »Ist schon in Ordnung, von mir erfährt er nichts.«
Edgar legte ihm einen Arm um die Schulter. »Du musst das verstehen … Mit einer solchen Vergangenheit wollten wir ihn auf keinen Fall konfrontieren. Damals nicht und heute auch nicht.«
Uwe nickte. »Ist schon in Ordnung … Aber eines interessiert mich noch.«
»Was?«
»Sebastian war also zwei Jahre alt, als er seiner Mutter damals weggenommen wurde, richtig?«
»Richtig.«
»Stammt sein Name von ihr, oder habt ihr ihm den Namen gegeben?«
Anna und Edgar sahen sich an. Uwe konnte deutlich erkennen, wie sehr seine Frage die beiden überraschte. Es war schließlich Anna, die nach ein paar Sekunden Zögern antwortete.
»Also … Wir wissen das nicht so genau. Als wir Sebastian neun Monate nach dem Vorfall aus dem Heim abholen durften, hieß er bereits so. Aber ob der Name von meiner Schwester oder der Heimleitung stammt, kann ich wirklich nicht sagen. Wir … Wir haben uns diese Frage, ehrlich gesagt, nie gestellt. Aber du hast natürlich recht. Sie könnte ihn Hans genannt haben, damals, ohne dass es jemand erfahren hätte. Mein Gott …!« Anna schlug sich die Hand vor den Mund.
»Nun mal langsam, es muss ja gar nicht so sein«, wandte Uwe ein, als er sah, was er mit seiner Frage ausgelöst hatte.
Aber es war bereits geschehen und nicht wieder rückgängig zu machen.
»Ich werde auf jeden Fall sehen, was ich herausfinden kann«, sagte er, faltete den Brief und steckte ihn in die Innentasche seiner Jacke.
»Macht euch solange nicht zu viel Sorgen. Das alles kann sich als großer Irrtum oder übler Scherz herausstellen.«
Schweigend begleiteten Edgar und Anna ihn zur Tür. Die Spannung war körperlich spürbar, und Uwe bereute seine letzte Frage. Er hätte sie nicht vor Anna stellen dürfen.
Als sie vor die Tür traten, rollte eben der gelbe Renault des Postzustellers auf den Hof. Er hielt unmittelbar vor der Treppe. Erwin Zumweit stieg aus und sah sich um.
»Guten Morgen zusammen. Die Polizei auf dem Schneiderhof? Ist etwas passiert? Der Hund bellt ja auch gar nicht!«
Mit einem Brief in der Hand blieb er neben dem Wagen stehen und wartete auf eine Antwort.
»Wir saßen gerade bei einem Kaffee zusammen und
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