Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
Vom Netzwerk:
schlug die Tür zu und ging auf den weiß lackierten Bretterzaun zu. Der alte Mann blieb im Beet stehen, als sei er dort verwurzelt. Er war groß, seine dünnen weißen Beine staken wie Holzstangen aus der viel zu weiten Hose. Mit erdverkrusteten Fingern schob er eine randlose Brille auf den Höcker seiner Nase.
    »Herr Schröder?«, fragte Uwe und bereute im selben Moment, seine Uniform nicht angezogen zu haben.
    Er hatte mit dem Gedanken gespielt, ihn aber verworfen, weil er streng genommen privat unterwegs war und es außerdem zu heiß war. Vielleicht wäre es aber doch besser gewesen, vielleicht wäre der stechende Blick des alten Mannes an der Autorität der Uniform abgeprallt, statt ihn zu durchdringen wie eine Kugel ein Blatt Löschpapier.
    »So ist es«, sagte Schröder. »Und Sie sind sicher dieser neugierige Polizist aus … wie heißt das Kaff noch gleich?«
    »Bentlage, ich komme aus Bentlage. Es geht um …«
    »Jaja, ich weiß schon«, schnitt Schröder ihm das Wort ab, stakste auf seinen dürren weißen Beinen aus dem Beet und öffnete die Pforte. »Kommen Sie rein, wir gehen nach hinten, die Nachbarn haben jetzt genug gesehen.«
    Uwe folgte dem Klappergestell die leicht ansteigende Hofeinfahrt hinauf. Schröder ging wackelig, aber zügig, mit kurzen schnellen Schritten, wie man sie bei alten Leuten mit verkürzten Muskeln häufig sah. Das weiße Hemd schlotterte an seinem Oberkörper, ebenso die Hose an seinen Beinen. Uwe spähte kurz auf seinen eigenen dicken Bauch und fragte sich, wie wenig ein Mensch essen musste, um so beschissen auszusehen.
    Dr. Schröder führte ihn ins kühle Haus und durch einen dunklen Flur ins Wohnzimmer. Eine große, zweiflügelige Terrassentür ließ Sonnenlicht herein und gab den Blick frei auf einen gepflegten Garten mit einem großen Teich in der Mitte. Wasser plätscherte über einen Bachlauf am rechten Ufer.
    »Möchten Sie etwas trinken?«, fragte Schröder.
    »Gern.«
    »Kaffee?«
    »Wenn es keine Umstände macht.«
    »Wenn es Umstände machen würde, hätte ich es nicht angeboten. Milch und Zucker?«
    »Beides, bitte.«
    Schröder verschwand in der Dunkelheit des Flures. Uwe trat kopfschüttelnd an die geöffnete Terrassentür. Der Alte hatte ihm weder die Hand noch einen Platz angeboten, fragte aber nach Kaffee. Uwe hatte nach dem Telefonat damit
gerechnet, seine Frage zwischen Tür und Angel stellen zu müssen, doch scheinbar hatte der alte Griesgram sich einen kleinen Rest Anstand bewahrt. Merkwürdiger Typ. Aber wer war das nicht?
    »Wir können auch auf der Terrasse sitzen«, kam es plötzlich von hinten.
    Uwe schreckte auf und drehte sich um. Schröder stand in der Tür. Hatte er ihn beobachtet?
    »Gern, sie liegt ja im Schatten.«
    Die rot gepflasterte Terrasse wurde von einer orangen Markise überspannt, ein paar Stufen führten in den Garten hinab, rechts und links davon wuchsen üppig blühende Blumen, die Uwe nicht kannte. Hinter dem Teich drehte der leichte Wind die Flügel einer hölzernen Windmühle. Uwe ließ sich in einen weich gepolsterten Korbstuhl fallen. Nach ein paar Minuten erschien Schröder mit einem Tablett; die Sehnen seiner Unterarme sprangen unter der Haut empor wie Gebirgszüge.
    »Schön haben Sie es hier«, sagte Uwe. Etwas anderes fiel ihm nicht ein.
    Schröder drapierte die Gedecke auf dem Tisch. »Tja, viel Arbeit.«
    »Wie bekommen Sie den Rasen so hin? In meinem sind immer braune Flecken, egal was ich mache.«
    Dr. Schröder setzte sich und warf ihm einen Blick zu, den Uwe nicht zu deuten vermochte. »Seien Sie froh über Ihre Flecken. So einen Rasen bekommen Sie nur, wenn Sie viel Zeit haben … sehr viel Zeit.«
    Die Worte des alten Mannes klangen, als sei er meilenweit entfernt. Weil ihm einfach keine passende Antwort einfiel, süßte Uwe seinen Kaffee mit Milch und Zucker und rührte übertrieben konzentriert und lange darin herum.

    »Aber Sie sind ja nicht wegen meines Rasens gekommen«, sagte Schröder unvermittelt und wirkte dabei, als sei er aus tiefer Trance erwacht. »Worum geht es, Herr Hötzner? Es muss ja außerordentlich dringlich sein, wenn Sie sich an einem Samstag auf den weiten Weg hierher machen.«
    »Am Telefon wollten Sie mir ja keine Auskunft geben«, sagte Uwe.
    Schröder lachte kehlig. »Was glauben Sie denn? Dass ich am Telefon plappere wie ein Waschweib? Wir leben in einer gefährlichen Zeit.«
    »So war das nicht gemeint, ich habe ja durchaus Verständnis für Ihr Verhalten.«
    »So?«
    Schröder zog

Weitere Kostenlose Bücher