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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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auf dem Bett in dem nun völlig dunklen Raum. Als sie aus ihrer Ohnmacht erwacht war, war die Perlenkette aus Licht verschwunden, was nur bedeuten konnte, dass es mittlerweile Nacht geworden war. Zudem war es wieder still geworden. Ganz still diesmal. Keine Schritte, kein Pfeifen, nichts. Beinahe schien es so, als wäre die gesamte Welt oder, was wahrscheinlicher war, sie selbst daraus verschwunden. Dass sie nicht bereits tot war, hatte Saskia begriffen, als sie sich kurz nach dem Erwachen in die Hose gemacht hatte. So etwas passierte Toten nicht! Also lebte sie, wenngleich sie sich wie in einem Grab gefangen fühlte, und dies der Wahrheit wohl auch sehr nahe kam.
    Ihre Angst ließ sie schwitzen und frieren zugleich, ihr Magen war nur noch ein weiterer schmerzender Ort in ihrem Körper. Die verstümmelte Hand hielt Saskia dicht an den Oberkörper gepresst. Um die Wunde war notdürftig irgendein Tuch gewickelt. Hatte sie das selbst getan oder ihre Peinigerin? Sie hatte daran getastet, hatte trotz der Schmerzen nicht glauben wollen, dass etwas von ihr abgeschnitten worden war. Doch der Finger war weg, und diese Erkenntnis hatte ihr jede Hoffnung, jede Kraft geraubt.
    Tränen rannen über ihre Wangen auf das Kopfkissen. Es
war bereits nass. Um sich vom Schmerz und der Angst abzulenken, dachte Saskia immer wieder an Sebastian, stellte sich sein Gesicht vor. Das weizenblonde Haar, die blauen Augen, sein herzliches, warmes Lächeln. Sie würde ihn nicht wiedersehen, denn vor dieser Frau, die seine Mutter war, gab es keine Rettung.
    Plötzlich ein Poltern. Eine Tür schlug zu. Das Grauen kehrte zurück. Panisch vor Angst lauschte Saskia nach der Melodie von Hänschen klein .
     
    Die Straße vom Schneiderhof ins Tal war abschüssig und eng, und in den Kurven waren die Ränder nur mit Schotter befestigt. Uwe Hötzner umfasste das Lenkrad des Streifenwagens noch fester, als die rechten Räder vom Asphalt abkamen und sich durch den losen Schotter wühlten. Der Wagen schlingerte, drohte auszubrechen, doch er bekam ihn wieder unter Kontrolle.
    Sebastian stützte sich am Armaturenbrett ab, stemmte die Hacken in den Wagenboden und starrte auf das Handy in der Freisprecheinrichtung. Gerade hatte er Derwitz’ Nummer eingegeben und wartete nun auf eine Verbindung. Doch es nahm niemand ab.
    »Der kann doch nicht ins Bett gegangen sein«, sagte Uwe, konzentrierte sich dabei auf die nächste Kurve und manövrierte den Wagen sicher hindurch.
    Schweiß glitzerte auf seiner Stirn, die Knöchel seiner Hände traten unnatürlich weit unter der Haut hervor, so fest umklammerte er das Lenkrad.
    Dann endlich nahm Derwitz ab. Ohne langsamer zu fahren, setzte Uwe den Hauptkommissar ins Bild, erzählte ihm wie wenige Minuten zuvor Sebastian von dem Postboten Karl Wohlan und dessen Beobachtungen und stellte
die Verbindung zu der Adresse in den Adoptionsunterlagen her. Derwitz sagte nicht viel. Er wies sie an, vor dem Haus zu warten, bis er mit dem SEK eintreffen würde. Dann war das Gespräch beendet.
    Uwe fluchte und schlug aufs Lenkrad. Sie fuhren jetzt durch Bentlage, zu schnell zwar für eine Ortschaft, aber lange nicht mehr so rasant wie eben den Berg hinab.
    »Ich hätte die Verbindung sofort herstellen müssen, so eine Scheiße! Wir hätten schon vor Stunden da sein können.«
    Sebastian sagte nichts. Uwe hatte ja recht, auch wenn er es ihm nicht zum Vorwurf machte. Sie hatten Zeit verschwendet, wertvolle Zeit, vielleicht mehr, als Saskia noch zur Verfügung stand. Aber darüber wollte er jetzt nicht nachdenken. Sie würden sie lebend finden. Etwas anderes kam nicht in Frage.
    »Und diese blöde Kuh fühlt sich auch noch so sicher, dass sie auf den Hof kommt, während der bewacht wird, um dir einen Brief und diese blöde Spieluhr zu bringen. Eine alte irre Frau führt uns an der Nase herum. Ich könnte kotzen!«
    Wieder schlug Uwe auf das Lenkrad. Sie verließen die Ortschaft, und er trat das Gaspedal wieder durch.
    Über ebene Straßen ohne Verkehr legten sie die zwölf Kilometer bis Ralsdorf in knapp zehn Minuten zurück. Keine fünf Minuten später hatten sie auch den Feldweg erreicht und rollten langsam die Straße hinab. Die adretten Häuser rechts und links lagen im Dunkeln, deren Bewohner waren längst schlafen gegangen, auch die Straßenlaternen waren erloschen. Während sie an einem kleinen Wäldchen vorbeiglitten, welches das letzte Haus in der Straße von den anderen trennte, schaltete Uwe die Scheinwerfer
aus. Schließlich kamen

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