Haeppchenweise
spurlos verschwunden. Und eben hat Melitta angerufen und abgesagt! In zweieinhalb Stunden gehen wir auf Sendung! Was sollen wir denn jetzt tun??
Katta: Melitta? Meinst du etwa die schreckliche Dukakis-Tochter?
Julia: Also, die ist gar nicht so furchtbar, ehrlich, sie ...
Katta: Ist doch schnurz, Julia. Dann ist es eben so.
Julia: Wie meinst du das?
Katta: In den letzten zwei Wochen hat euch meine Meinung herzlich wenig interessiert. Und jetzt soll ich plötzlich mit einer Lösung um die Ecke biegen?
Julia: Du bist sauer.
Katta: Nein, sauer war ich letzte Woche. Wach auf, Schneckenvögelchen. Ihr kämpft gegen dänische Windmühlen. Das Cook & Chill ist bankrott und ich bin körperlich und moralisch am Ende. Wozu sich abmühen.
Julia: Und der Kochwettbewerb?! Wir haben jeden Abend in der Küche geschuftet und Julius ...
Katta: Geh nach Hause, Julia. Es macht keinen Sinn.
Julia: Das ist total egoistisch von Dir! Außerdem habe ich einen Cateringvertrag für eine große Hochzeit ...
Katta: Tut mir leid, Julia.
Katta hat aufgelegt.
Louise wirkt enttäuscht, als habe auch sie mehr von mir erwartet. Das Flimmern umrahmt mittlerweile ihren gesamten Körper, mehr denn je sieht sie wie ein kleiner, zorniger Poltergeist aus. Was wollen die bloß alle von mir?!
„Was war DAS denn??“
Ein empörtes, blaues Flämmchen züngelt aus ihrer Silhouette.
„Ich bin eben keine deiner Romanheldinnen!“ Aufsässig hebe ich das Kinn und versuche mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich Julias Enttäuschung getroffen hat. „Ich bin schwach, wankelmütig und feige, und wenn´s schwierig wird, stecke ich den Kopf unter die Bettdecke. Dein Job ist also erledigt. Ist nicht deine Schuld, es liegt an mir.“
Ich verschränke Arm und Gipsweißwurst vor meiner Brust und warte darauf, dass sie sich in Luft auflöst. Aber Louise rührt sich nicht vom Fleck, nicht mal ein kleines bisschen durchsichtig wird sie. Sie steht vor Wut schier in Flammen und starrt auf meine Stirn, als wolle sie ein Loch hineinbrennen.
Eine ungemütliche Viertelstunde später schwant mir, dass ich wohl diejenige bin, die verschwinden muss. Und zwar nicht mit gefälschtem Pass an irgendeinen hübschen Karibikstrand.
„Also gut. Dann mache ich es halt, du transzendente Nervensäge!“
Meine Stimme klingt zwar trotzig, aber das Adrenalin schnellt plötzlich in meine Adern wie flüssiges Quecksilber. Ich schwinge die Füße aus dem Bett. Das Linoleum unter meinen Füßen fühlt sich unglaublich belebend an und meine Hände, die eben noch zitterten, greifen entschlossen zum Telefonhörer. Dennoch kann ich mir einen märtyrerhaften Blick zum Nachbarbett nicht verkneifen. „Bist du jetzt zufrieden, Louise?“
Aber die Schriftstellerin bleibt mir die Antwort schuldig. Das zweite Bett im Zimmer ist frisch bezogen – und leer.
Katta: Fangen wir nochmal von vorne an.
Julia: Ich wusste es! Bin ich froh, dass du ...
Katta: Julia, bitte! Das ist jetzt schnurzpiepegal. Wann hast du Julius zuletzt gesehen und wo? Hast du Henry angerufen?
Julia: Henry sitzt neben mir. Sie sagt, Julius wollte zum Großmarkt fahren, aber der Polo steht noch samt Leergut im Hof ...
Katta: Gut. Derweil du im Fernsehstudio die Stellung hältst, schickst du Henry los, um Julius ausfindig zu machen. Sag ihr, sie soll in St. Michael am Brüsseler Platz nachsehen und im Obdachlosenwohnheim in der Wallstraße. Ihr wird schon was einfallen, schließlich ist sie eine gottverdammte Polizistin. Ich rufe Britta an und fahre mit ihr zu den Dukakis. Hol bitte die Seminarunterlagen aus dem Büro und schick die Adresse auf mein Handy, okay?
Julia: Alles klar! Und ... Katta?
Katta: Ja?
Julia: Ich bin ganz sicher, dass das nicht das Ende ist.
Katta: Dein Wort in Gottes Ohr.
Katta hat aufgelegt.
„Der Teilnehmer ist derzeit nicht erreichbar. Bitte rufen Sie zu einem späteren Zeitpunkt an oder hinterlassen Sie eine Nachricht ...“
Erneut springt der Anrufbeantworter an. Mein fünfter Anruf innerhalb der letzten zehn Minuten. Verflucht, Britta! Wo steckst du nur, wenn man dich braucht!
Ich beende die Verbindung diesmal, ohne eine Nachricht aufzusprechen. Sekundenlang schwebt mein Finger unentschlossen über der Tastatur. Dann schließe ich die Lider und wähle blind die Nummer der einzigen Person, die mir jetzt noch helfen kann.
*
Henry zögert. Seit einer Viertelstunde parkt sie bei heruntergelassener Seitenscheibe auf dem Brüsseler Platz und dreht wahllos am
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