Haeppchenweise
Senderknopf des Autoradios herum.
Kattas Vorschlag, ihren Vater ausgerechnet in einer Kirche zu suchen, löst Beklemmung in ihr aus. Ihre Großeltern waren in ihrer Erinnerung nie sonderlich religiös gewesen, doch die Worte der Verdammung, mit denen der Pfarrer ihre Mutter aus dieser Welt geschickt hatte, gaben der Familie den Rest.
„Den Feigen aber und Ungläubigen und mit Gräueln Befleckten und Mördern – ist ewige Verdammnis. Ihr Teil ist in dem See, der mit Feuer und Schwefel brennt, welches der zweite Tod ist. Denn du sollst nicht Leben nehmen, wenn der Herr dir Leben schenkte.“
Erst viele Puzzleteile später, mit den Tagebuchaufzeichnungen ihrer Großmutter, wurde ihr die Bedeutung der Bibelstelle, die der stockkonservative Seelsorger zitiert hatte, klar. Ihre Mutter war nicht an den natürlichen Folgen ihrer Krebserkrankung gestorben. Jemand hatte nachgeholfen. Sie musste nicht lange recherchieren, bis sie in der Polizeiakte ihres Vaters die Bestätigung für ihre Vermutung fand. Völlig abwegig also, dass Julius Zander ausgerechnet in einem Gotteshaus Zuflucht suchen sollte.
Sie seufzt und greift nach der Zigarettenpackung auf dem Armaturenbrett, obwohl das Rauchen in Dienstfahrzeugen strengstens verboten ist. Das Studentencafé hat seine Bestuhlung bis auf den Kirchplatz ausgeweitet, und der Gedanke an einen Latte macchiato im Schatten der ausladenden Walnussbäume übt einen gewissen Reiz auf sie aus. Dennoch rutscht Henry automatisch tiefer in ihren Sitz, als sie ein paar bekannte Gesichter unter den Gästen erspäht.
Eine halbe Zigarettenlänge später wirft sie die Kippe aus dem Fenster, zieht den Zündschlüssel ab und stößt die Autotür auf. Dann eilt sie mit gesenktem Kopf und pochendem Herzen auf das Kirchenportal zu.
Als der schwarze Alfa Romeo die Klinikauffahrt hinaufrauscht, sitze ich bereits auf der Treppe vor dem Haupteingang und begutachte meine Fingernägel, die ich vor Nervosität bis auf die Fingerkuppen heruntergeknabbert habe. Der Kies stiebt nach allen Seiten, als der Sportwagen eine Vollbremsung einlegt. Hasenherz macht einen Kopfstand, verliert das Gleichgewicht und knallt gegen meinen Brustkorb.
„Danke, dass du so schnell gekommen bist.“
Felix sieht blass aus und hat abgenommen. Am liebsten möchte ich mich an seinen Hals werfen, aber mein Hintern klebt trotzig auf der Steinstufe fest. Behelfsweise fixiere ich seinen Dreitagebart, der ihn älter aussehen lässt. Früher ist er nie ohne Morgenrasur aus dem Haus gegangen.
Felix wirkt unentschlossen, öffnet den Mund – und presst ihn zu einer schmalen Linie zusammen. Wortlos ergreift er mein Rollköfferchen. Erst als ich in das Polster des Beifahrersitzes rutsche und zaghaft seinem Profil zulächle, nickt er reserviert. „Wohin?“
„Schleidener Straße 15“, krächze ich wie eine Krähe, die Drahtwolle verschluckt hat. Er tippt die Adresse in das Navigationsgerät ein. Unauffällig wische ich meine feuchten Handflächen an meinen Hosenbeinen ab und zähle bis zehn. Felix stiert auf den Tacho. Zwanzig. Mein Sitz vibriert, der 6-Zylinder-Motor heult auf.
Es vergehen Minuten, die mir wie herzhämmernde Stunden vorkommen. Wir verlassen das Klinikgelände und biegen auf die Dürener ab. Ich starre auf graue Fassaden, in blinde Fenster und vorbeigleitende Gesichter, ohne etwas zu erkennen. Als mein Hirn die Worte endlich sortiert hat und sich mein Mund für eine stammelnde Entschuldigung öffnet, kommt Felix mir zuvor.
„Verrätst du mir, warum wir zu diesen Leuten fahren?“
Sein geschäftsmäßiger Tonfall klingt nicht gespielt. Am Telefon hatte ich mich auf zwei flehende Sätze beschränkt und natürlich ist es sein gutes Recht, zu erfahren, weshalb er den Taxifahrer für seine Ex spielen muss.
Ich zwinge meine Gefühle zurück in ihren „Mir-doch-alles-egal-Kokon“ und lenke meine Gedanken auf Roúla Dukakis. Und auf das Schicksal, das dem Cook & Chill blüht, falls die Griechin sich weigert, mich ins Fernsehstudio zu begleiten. Oder wenn ich ihre schwierige Tochter nicht überzeugen kann.
„Scheint mein Karma zu sein, dass meine Existenz einmal im Jahr von einer sonderbaren, alten Dame abhängt“, sage ich mutlos. Dann hole ich Luft und setze zu einer Erklärung an.
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Griechischer Kaffee wird wie Mokka mit dem Kaffeepulver aufgekocht, je nach Wunsch mit oder ohne Zucker. Bis vor einigen Jahrzehnten wurde der Kaffee im Griechischen „Türkischer Kaffee“ genannt (nach der
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