Haeppchenweise
Lippen. „Eine gute Gelegenheit, die Wartezeit mit einer Geschichte zu überbrücken.“
Julius Hand hält inne, der Welpe grunzt protestierend. Henry zögert und steckt die Zigarette in die Schachtel zurück.
„Welche willst du hören?“, fragt Julius ruhig.
„Die von dem dänischen Mistkerl?“
„Ich weiß nicht, ob du das wissen willst, Henriette."
„Würde ich sonst fragen? Ich bin keine Zehn mehr!“
„Das ist allerdings wahr.“
Julius knetet abwesend eine Welpenpfote zwischen seinen Fingern, was dem Kleinen zu gefallen scheint. Er wackelt mit dem Stummel, der von seinem Schwänzchen übrig geblieben ist. Dieser Hundezüchterarsch kann von Glück reden, dass er hinter Gittern sitzt. Sie hätte nicht übel Lust, sich mal seinen ...
„Erzähl schon.“
„Mats Jørgensen und ich waren Kollegen. Eigentlich war ich sein Ausbilder und er der Spross eines Hotelbesitzers. Hatte es nicht leicht mit seinem Vater. Ich glaube, er hielt nicht sonderlich viel von seinem Sohn. Mats sollte sich in Deutschland einen Stern erkochen, da er sonst die Hotelkette nicht übernehmen durfte. Der alte Jørgensen kaufte ihm den besten Ausbildungsplatz, den es seinerzeit gab. In meiner Küche. Mats´ Ehrgeiz imponierte mir. Obwohl er von Anfang an der beste Stift war, arbeitete er trotzdem länger und härter als seine Kollegen. Da auch ich es mit Arbeitszeiten nicht genau nahm, ergab es sich von selbst, dass sich beim Feierabendbier allmählich Berufliches mit Privatem vermischte. Nach dem ersten Jahr war er mein bester Schüler, im dritten Jahr mein Freund. Im fünften Jahr unserer Zusammenarbeit bereitete er sich auf seinen ersten Stern vor.“
„Was ist passiert?“
„Mats bekam Scharlach. Danach konnte er nur noch die Grundgeschmäcker voneinander unterscheiden. Kannst dir ja vorstellen, was das für einen Koch bedeutet.“
„Du meinst, er hat keinen Geschmackssinn mehr?! Aber Mats hat doch einen Stern. Zwei sogar, wenn ich mich nicht täusche?“
„Stimmt.“ Julius starrt aus dem Fenster. Henry reißt die Augen auf.
„Du hast doch nicht etwa ...“
„Er war mein Freund. War Ehrensache, ihm zu helfen, zumal nicht klar war, dass es sich um einen bleibenden Schaden handeln würde.“
„Ihr habt betrogen!“
„Wir tüftelten eine Art Zeichensprache aus, mit der ich ihm half, die richtigen Gewürze für die Speisen zusammenzustellen. Da ich in der Prüfungskommission saß, bemerkte niemand unser Spiel.“
„Aber wieso hasst Jørgensen dich, wenn du ihm geholfen hast? Und was hat das mit meiner Mutter zu tun?“
„Mats war unglaublich talentiert und konnte plötzlich nur noch Rezepte aus Kochbüchern ablesen und zusammenrühren. Ohne meine Hilfe konnte er weder neue Rezepte erfinden, noch weiterentwickeln. Frustrierte ihn gewaltig. Dann wurde deine Mutter als Servicechefin angestellt.“
„Und dein Kumpel spielte von da an nur noch die zweite Geige.“
„Ich war nicht mehr verfügbar, richtig. Aber ich übersah das Wesentliche: Ich war nicht der Einzige, der Lydias Charme erlag.“
„Jørgensen war in meine Mutter verliebt?!“
„Ich glaube, seine Gefühle waren weitaus weniger romantisch. Er wollte sie, weil sie mich begehrte. Als du geboren wurdest, hatte sich dieser Wunsch erledigt. Dann erfuhr Mats, dass sein Vater seinem Bruder die Hotelkette überschrieben hatte. Von da an fing er an, das haben zu wollen, was mir gehörte. Leider kapierte ich das erst, als es zu spät war.“
„Mama wurde krank.“
„Ich war am Boden zerstört ...“
„ … und hast dich deinem besten Freund anvertraut.“
„Er war der Einzige, der von dem Plan mit der Sterbehilfe wusste. Ich habe mir die Absolution für die Erlösung deiner Mutter beim Teufel geholt.“ Julius lacht heiser. Henry unterdrückt das Bedürfnis, die Zigarette doch zu rauchen.
„Was ist dann passiert?“
„Du bist Polizistin. Was glaubst du?“
„Er hat dich verpfiffen und du wurdest inhaftiert?“
„Käme dir das nicht zu schäbig vor?“
„Sie käme mir mächtig schäbig vor.“
„Wie gefällt dir die Version: Mats spielte den Kumpel, der mit mir weinte und soff. In einer durchzechten Nacht drohte er, mich bei der Polizei anzuzeigen, falls ich ihm je den Rücken kehren sollte. Eine Hand wäscht die andere, nannte er das. Ich war zwar stockvoll, aber so viel war mir klar: Jørgensen säße mein Leben lang wie eine Zecke in meiner Haut, wenn ich darauf einginge. Meine Karriere war so oder so dahin, ich hatte bereits ein
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