Haeppchenweise
ließ ihn in dem Essig versinken. Die Perle löste sich in der stark säurehaltigen Lösung auf, Kleopatra trank den Essig – und gewann die Wette.
Es geschieht, nachdem wir die Sicherheitskontrolle passiert und den roten Läufer zum Studio betreten haben. Meine Füße weigern sich schlagartig, das zu tun, wofür sie gedacht sind.
Ungläubig schaue ich an mir herunter, während Melitta und Roúla vor mir durch den bunten Leibervorhang schlüpfen und einen Sekundenbruchteil später im Gedrängel verschwunden sind. Ein Finger stupst in meinen Rücken.
„Junge Dame ... könnten Sie bitte weitergehen?“
Das würde ich wirklich gern. Ich lächle, vermutlich gequält, und hebe die Achseln. Ein zweiter Rempler, nicht ganz so charmant wie eben.
„Sind Sie taub? Sie behindern den Durchgang!“, blökt eine Altherrenstimme, die einem spitzbärtigen Mann mit Gehstock gehört. Seine Topfhut-Begleitung schwenkt entrüstet das Beuteltäschchen.
„Ich ...“ Mir bricht der Schweiß aus allen Poren. Meine Füße sind förmlich mit dem Boden verwachsen. Der Bärtige schubst mich gegen das Absperrgitter. Froh um den Halt, kralle ich meine Finger um die Querstäbe.
Jetzt kommt also der Augenblick, vor dem ich mich seit Wochen fürchte: Ich breche zusammen. Ausgerechnet kurz vor dem Finale Grande – ohne Tusch und Tamtam. Ärgerlich. Hoffentlich muss ich mich nicht übergeben, wär schade um den hübschen Teppich. Ich unterdrücke ein albernes Lachen und warte auf den Schwindel, dem die unvermeidliche Ohnmacht folgen wird.
Beides bleibt aus. Stattdessen spüre ich eine Berührung auf meinem Handrücken. Auch mit geschlossenen Augen weiß ich sofort, zu wem der Arm gehört, der behutsam meine Taille umfasst. „Alles in Ordnung, Kleines?“
Die raue, etwas schleppende Stimme löscht sämtliche Ereignisse der letzten Wochen aus. Exakt dreieinhalb Herzschläge lang. Dann halte ich die Luft an, weil der Geruch von Felix Haut einfach mehr ist, als ich verkrafte.
Er ist außer Atem, seine Pupillen glänzen im Halbdunkel. Einen Moment glaube ich, er mache Anstalten, mich zu küssen – doch Felix senkt den Blick und lässt mich los.
„Entschuldigung, darf ich bitte durch?!“
Eine schmale Gestalt zwängt sich durch die Menschenmenge, gefolgt von Melitta, die mit dem Finger auf mich zeigt. Julias Wangen glühen, sie winkt heftig.
„Hier entlang, Katta! Schnell, es geht gleich los!“
Ich kann nicht aufhören, ihn anzustarren. Aber statt Julia zum Teufel zu wünschen oder Felix zu sagen, dass ich ... kehre ich meinem Exfreund wortlos den Rücken und gehe Julia auf wackeligen Beinen entgegen.
„Herzlich willkommen zur ultimativen Kochshow im Starcooks!“
Als das Starcooksjingle losbraust, möchte ich auf dem Pfennigabsatz umdrehen und schreiend davonlaufen. Leider traue ich mich nicht mal, den Kopf samt Hochsteckfrisur zu drehen. Die Zuschauerreihen fassen rund fünftausend Menschen und der Saal scheint bis auf den letzten Platz besetzt, sofern ich das von unserer Position – versteckt am Bühnenrand – beurteilen kann.
Dank der Zehn-Minuten-turbo-Renovierung in der Maske klebt auf meiner Haut so viel Make-up, das ich befürchte, mein Gesicht könnte beim kleinsten Muskelzucken zerbröseln. Meine Wimpern sind tiefschwarz getuscht und so schwer, dass ich kaum die Augen offen halten kann. Immerhin weiß ich jetzt, woher der Schlafzimmerblick diverser Hollywoodschönheiten stammt.
„Nicht reiben!“, kreischt die Maskenbildnerin und ich lasse sofort die Hand sinken. Die grell geschminkte Mittvierzigerin ist mir bis zur Bühne gefolgt und zupft ohne Unterlass an meinem türkisfarbenen Seidenkleid herum. Ein hübscher Fummel, wenn auch für meinen Geschmack zu tief ausgeschnitten.
„Keine Schnute ziehen! Das macht Risse ins Puder!“, zischelt sie in mein Ohr, während der Biberhaar-Pinsel erneut über meine Wangenknochen herfällt. Julia knabbert neben mir nervös an den Fingernägeln und Melitta bewegt lautlos die Lippen. Nur Felix scheint die Ruhe in Person. Er steht etwas abseits hinter einem Techniker mit Headset, in aufrechter Haltung, den Blick dem Bühnengeschehen zugewandt.
Mats Jørgensen befindet sich in seinem Element, was man weder übersieht noch überhört. Stolziert in der Showküche umher, einen kichernden Angelina-Jolie-Verschnitt zu seiner Linken, und feuert einen Gag nach dem anderen ins Publikum.
„In der Großküche klingelt die Eieruhr. Der Koch hält sich den Kochlöffel ans
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