Haeppchenweise
Sensationsgeilheit. Meine Kehle ist so trocken, dass ich eine ganze Literflasche „Evian“ herunterstürze.
„Das entbehrt jeder rechtlichen Grundlage. Niemand kann dich zwingen, das Cook & Chill wegen eines verlorenen Kochwettbewerbs aufzugeben“, raunt Johannes in mein Ohr. Seine Sorgenfalten verleihen ihm verblüffende Ähnlichkeit mit einem Basset.
„Weiß ich, Johannes. Aber ohne das Preisgeld müsste ich den Kochbuchladen sowieso aufgeben“, wispere ich zurück. „Ist in Ordnung, Chef. Lag mir nie, sang- und klanglos abzutreten.“
„Wohl ist mir trotzdem nicht dabei.“
Britta runzelt die Stirn: „Wieso rechnet ihr eigentlich damit, dass Julius verliert?! Ich finde, unsere Drei sehen durchaus wie ernsthafte Gegner für Smörrebröd und Brangelina aus!“
Ich mustere die beiden Frauen, die nach Julius´ Anweisungen die Zutaten für die Vorspeise vorbereiten. Henry und Melitta arbeiten stumm und konzentriert Hand in Hand, als täten sie seit Jahren nichts anderes.
„Eine verdammt gute Frage, Britta“, sagt eine vertraute Stimme hinter mir. „Katta ist den Tatsachen eben gern einen Schritt voraus.“ Felix schmunzelt.
„Was machst DU denn hier?“ Quietschend fällt Britta ihm um den Hals. Meine Freundin hat wohl vergessen, dass sie vor einigen Tagen noch eine Nagelfeile in seine Kronjuwelen rammen wollte.
„Ich bin bloß der Chauffeur“, antwortet mein Ex trocken und mit undefinierbarem Unterton.
„Ohne meinen Anwalt sag ich gar nichts!“, gifte ich in Brittas fragendes Gesicht und starre trotzig geradeaus.
Auf der Bühne erreicht die Temperatur allmählich den Siedepunkt: Julius und die Mädchen stecken die Köpfe zusammen und flüstern. Meine Lunge fühlt sich an wie ein prall gefüllter Ballon.
„Zum Auftakt offeriert das Starcooks ein delikates Erbsenschaumsüppchen mit krossen Flönsrädchen. Das Cook & Chill setzt auf Blutwurst-Wan-Tan an karamellisiertem Pflaumenkompott – ein wahrlich gewagtes Rezept!“, grinst Novela einfältig. Aus dem Augenwinkel sehe ich Minzou zufrieden nicken. Gott, das überlebe ich nicht!
„Ganz ruhig, Süße. Der Zander hat schon viel brisantere Situationen gemeistert. Und die Mädels sind großartig“, flüstert Felix in meinen Nacken.
„Und wenn Julius es diesmal nicht schafft?“
„Dann hast du immer noch mich.“
Blutwurst-Wan-Tan auf Pflaumenkompott
Man nehme für 4 Personen:
500 g. Pflaumen, 80 g. Zucker, 200 ml. Weißwein, 50 g. Sultaninen,
2 EL Butter, 2 EL frisch gepresster Zitronensaft, 250 g. Blutwurst,
8 Wan-Tan-Blätter, 1 Eigelb, ca. 300 ml. Öl zum Frittieren.
Pflaumen entkernen und grob würfeln. Den Zucker unter Rühren in einer Pfanne ohne Fett erhitzen, bis der Zucker karamellisiert. Mit Wein ablöschen und rund drei Minuten köcheln lassen. Die Pflaumenstücke, den Zitronensaft, die Sultaninen und die Butter einrühren. Bei mittlerer Hitze fünf Minuten köcheln lassen, gelegentlich umrühren. Kompott warmstellen. Inzwischen die Blutwurst pellen und würfeln. Teigblätter nebeneinander auf die Arbeitsfläche legen. Auf jedes Teigblatt 1 EL gewürfelte Blutwurst geben. Das Eigelb leicht verquirlen. Die Teigränder damit einpinseln, Teigblätter zu Dreiecken zusammenklappen, dabei die Ränder fest zusammendrücken.
Das Öl zum Frittieren erhitzen, bis Bläschen aufsteigen. Die Teigtaschen schwimmend von beiden Seiten goldbraun ausbacken. Auf Küchenpapier abtropfen lassen und auf dem Pflaumenkompott anrichten.
Die folgenden Sendeminuten sind die längsten meines Lebens. Meine Nägel habe ich mittlerweile bis auf die Fingerkuppen abgekaut, das Blut jagt durch meine Adern, als hätte ich zwei Liter Kaffee getrunken. Trotz der augenscheinlichen Ruhe, mit der meine Crew in der fremden Küchenzeile werkelt, entgehen mir weder Henrys zitternde Finger, die den Filoteig ausrollen, noch Melittas glühende Wangen. Julius beobachtet mit Argusaugen jeden Handgriff seiner Schülerinnen, und obwohl er lässig an der Arbeitsplatte lehnt, spüre ich seine Nervosität fast körperlich.
In der Starcooks-Küche scheint es lustiger zuzugehen, glaubt man den Kameramännern, die ausnahmslos ihre Geräte auf das Geschehen in Jørgensens Nische richten. Brangelina bringen es fertig, beim Schälen, Schnibbeln und Andünsten mit Novela herumzuflachsen. Als Brad Blutwursträdchen in die Zuschauerreihen wirft, ist das Publikum kaum zu halten.
„Warum machen Melitta und Henry denn nix?“, wispert Britta
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