Haeppchenweise
Ohr, lauscht und sagt ungeduldig: „Hören Sie, ich sage es Ihnen schon zum dritten Mal: Sie müssen sich verwählt haben. Wir haben gar kein Telefon hier!“
Ich presse die Lippen aufeinander, mein Mundwinkel zuckt trotzdem. Leider bin ich empfänglich für Witze, über die sonst keiner lacht. Und offensichtlich hat die hochgewachsene Dame aus der Fachjury da etwas mit mir gemein.
„Irgendwie surreal. Sind die beiden da echt?“ Julia kichert überspannt.
Der zweite Starcooksschüler wirkt wie ein Anwaltskollege von Dr. Hennemann: seriös und im besten Alter, aber eindeutig schlanker. Seine langbeinige Kollegin und er geben sich gelöst und fröhlich, todsicher bewegen sie sich nicht zum ersten Mal vor laufender Kamera.
Ich mustere frustriert meinen vollgekritzelten Gipsarm und Melittas aschfahles Gesicht. Die Griechin ist zweifellos eine schöne Frau, sieht jedoch aus, als müsse sie sich jeden Moment übergeben. Und ich weiß nicht, ob ich erleichtert oder entsetzt bin, als ich Henry da draußen entdecke, die sich soeben in typischer Ellbogenmanier zur Cook & Chill Loge durchkämpft. Ihre Haare stehen zu Berge und sie trägt ein verwaschenes Schlabbershirt. Gegen Angelina wirkt Julius´ Tochter wie die erwachsene Lotta aus der Krachmacherstraße.
Tröstlicherweise erspähe ich jetzt Britta und Andreas in der VIP-Box, flankiert von Mutti und Roúla, die sich angeregt unterhalten. Vida und Lukas schwenken ein monströses „Cook & Chill forever“-Plakat, Friedrich befummelt hingerissen Helgas Föhnwelle. Shunpei Minzou thront steif neben der Balustrade und sieht nicht glücklich dabei aus. Aus der vordersten Boxenreihe schauen mir noch mehr vertraute Gesichter entgegen: Linda Meininger-Hennemann, Friedrichs Lebensgefährte Jens, der Verehrer meiner Mutter und einige Stammgäste.
Keine Spur von Julius.
Viel zu früh schallen die Worte durch das Studio, die mir die letzte Hoffnung rauben, das Ganze könnte sich doch um einen riesigen Irrtum handeln.
„Begrüßen wir die Herausforderer! Applaus für die Kochschüler des Cook & Chill!“
Mein Herz macht einen Satz. Automatisch drehe ich den Kopf und sehe Felix an. Er senkt das Kinn, lächelt und hält den Daumen in die Höhe. Ich straffe den Rücken und setze mich in Bewegung.
Als die Scheinwerfer in mein Gesicht schwenken, geschieht das Unvermeidliche. Ich knicke auf den ungewohnten Pfennigabsätzen um.
„Hopsala! Da stolpert sie heraus! Katharina Lehner!“, gluckst der Moderator – kein anderer als Manfred Novela selbst. Anscheinend spart der Sender für das Preisgeld. Die Schlussakkorde des Captain-Future-Jingles münden in Gelächter. Astrein. Drei Sekunden im Scheinwerferlicht – und schon blamiert. Ich nehme all meinen Mut zusammen und grinse frech. „Ich hoffe, sie haben eine Haftpflichtversicherung für die lebensgefährlichen Zickentreter, die mir Ihre Requisite aufgeschwatzt hat. Nur, falls ich mir auch noch den anderen Arm breche.“
Unter heftigem Beifall aus der Cook & Chill Box steuere ich das dreiköpfige Jurygespann an – genau zwölf Wackelschritte auf diesen Mörderstöckeln - und fixiere das strenge Gesicht von Anne Liesch. Nachdem wir offenbar den gleichen Humor besitzen, habe ich entschieden, dass bei ihr die Wahrscheinlichkeit des gemeinsamen Nenners am höchsten ist. Bei der Frau, die mir jeden Tag von einer Kochbuchrückseite entgegen lächelt.
„Ich finde es ganz wunderbar, Sie einmal persönlich kennen zu lernen, Frau Liesch. Würden Sie mir ein Autogramm geben?“, frage ich laut und tippe auf meinen Gips.
„Was ist mit ihrem Arm passiert?“ Die Liesch späht neugierig über den Rand ihrer Brille.
„Ein bedauerlicher ... Unfall.“
Ich schiele zu Jørgensen und hoffe, dass meine kleine Kunstpause lang genug war. Etwas blitzt in den Augen der Kochbuchautorin auf.
„Verstehe.“ Sie greift nach ihrem Kugelschreiber und setzt schwungvoll ihren Namen zwischen Brittas Smiley und der Telefonnummer des Krankenpflegers.
Mein Konkurrent hat das klitzekleine Vorteilsmanöver nicht bemerkt. Während ich auf die Bühne zurückkehre, badet er in der Begeisterung der Zuschauer, wippt dabei auf seinen Ballen auf und ab und grinst in Angelinas Ausschnitt.
Erstaunlicherweise fühle ich nichts, als ich auf ihn zugehe. Irgendwo auf dem Weg von der Klinik zum Studio hat sich meine Angst verdünnisiert. Der selbstgefällige Hüne hat nichts mehr mit dem Sternekoch gemein, den ich mal bewundert habe.
„Erinnern wir uns,
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